: Nationalpark hui – Naturschutz pfui
■ Fischer sehen sich durch neues Nationalparkgesetz ihrer Fanggründe beraubt / Gemeinden fühlen sich eingeschränkt
Mit der Kutterdemo der Krabbenfischer am Mittwoch in Kiel gegen die Novellierung des Nationalparkgesetzes in Schleswig-Holstein formiert sich die bislang härteste Fraktion der Nationalpark-Kritiker. Umweltschützer werfen den Fischern vor, sich einem Gespräch über Naturschutz grundsätzlich zu verweigern.
„Die Fischer müssen sich wehren“, verteidigt Wolfgang Hagena vom Fischereiamt Bremerhaven den Fischerprotest. „Der Naturschutz hat die Tendenz, die Naturnutzer auszuhebeln. Die Krabbenfischerei ist eine absolut umweltfreundliche Fangart, sie einzuschränken ist unsinnig“, erregt sich Hagena.
Bislang gab es für die Krabbenfischerei keinerlei Einschränkungen im Nationalpark Wattenmeer. Durch die Novellierung des schleswig-holsteinischen Nationalparkgesetztes dürfen sie dort ab jetzt in einem kleinen Bereich bei Sylt nicht mehr fischen. Für ein anderes Gebiet ist ein Fangverbot für Stellnetze von über zwei Metern erlassen worden. Damit sollen Schweinswale davor bewahrt werden, als Beifang in den Netzen zu verrecken. Die Krabbenfischerei wird in diesem Bereich nicht eingeschränkt. In Niedersachsen sind nach dem neuen Nationalparkgesetz keine Einschränkungen der Fischerei vorgesehen.
„Die Fangsperre betrifft gerade mal ein Prozent der gesamten Nationalparkfläche“, wundert sich der Sprecher des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, Markus Stiekler, über den Protest der Fischer. „Insgesamt fischen ungefähr 50 Krabbenkutter zeitweilig in dem jetzt gesperrten Gebiet. Die niedersächsischen Fischer haben Angst, dass Fischer aus Schleswig-Holstein in niedersächsische Fanggründe ausweichen“, erklärte Wolfgang Hagena vom Fischereiamt in Bremerhaven.
Umweltschützer kritisierten die Fischerdemo als peinliches Schaulaufen. Sie halten die neuen Gesetze in Niedersachsen und Schleswig-Holstein für unzureichend. „An internationalen Standards gemessen, ist das deutsche Wattenmeer wenig geschützt. Es gibt keinen Bereich, in dem ausschließlich die Natur Vorrang hat“, kritisiert Christian von Dorrien vom WWF-Bremen. Sein WWF-Kollege in Schleswig-Holstein, Hans Ulrich Rösner, fordert sogar mehr absolute Tabuzone im Wattenmeer. „Der Naturschutz ist nicht der Gegner der Fischer. Die haben mit Überfischung, dem Ausverkauf nach Holland und dem Preisdruck zu tun“, meint Rösner.
Im Schulterschluß mit den Fischern stehen dagegen viele Küstengemeinden und die friesischen Inseln. „Wir müssen gucken, dass wir Touristen auf die Inseln kriegen und unsere Betten vermieten können. Wir können uns nicht andauernd mit Naturschutzbürokraten herumschlagen“, bringt Reinhard Kaip von der Stadt Borkum die Kritik der Gemeinden auf einen einfachen Nenner.
Abschaffen wollen die Gemeinden den Nationalpark aber nicht. Ihr Ziel ist es, Naturschutz kommunal selbst zu verwalten. Sie erhoffen sich dadurch mehr Spielraum und weniger Einschränkungen durch Naturschutzgesetze. „Wir vor Ort kennen die Situation doch am besten. Wir betreiben seit jeher Naturschutz. Wir brauchen keine Vorschriften aus Hannover, Kiel oder Bremen“, schimpft Reinhard Kaip.
Im Gegensatz zu Schleswig-Holstein hat Niedersachsen erst jetzt seine Nationalparkverordnung von 1985 in ein Gesetz umgewandelt. Schleswig-Holstein möchte mit der Novellierung seines alten Gesetzes die Auseinandersetzungen um den Nationalpark endgültig zu beenden. Das hofft zumindest sein Umweltminister Rainder Steenblock (Grüne).
Thomas Schumacher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen