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Der gelbe Sack siegt über den blauen Sack

■ Hessischer Verwaltungsgerichtshof stoppt Müllrebellen im hessischen Lahn-Dill-Kreis. Die wollen das bundesweite Müllunternehmen Duales System verlassen

Freiburg (taz) – Die Müllrevolution im hessischen Lahn-Dill-Kreis ist vorerst gescheitert. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat jetzt entschieden, dass ein Landkreis nicht einfach eine Alternative zum gelben Sack der bundesweiten Verpackungsmüll-Entsorgung (Duales System) einführen darf.

Der Lahn-Dill-Kreis ruft seit einem Jahr die Bürger dazu auf, Verpackungsmüll nicht mehr in den gelben Sack, sondern in den Restmülleimer sowie einen neuen blauen Sack zu werfen. Der blaue Sack erfasst dabei nur Papier- und Verbundverpackungen (Tetra-Paks und ähnliches), während Kunststoff- und Metallabfälle dem normalen Hausmüll zugefügt werden sollen. Aus diesem Hausmüll werden – nach Herausnahme der Metallabfälle und einer kurzzeitigen Rottephase – „Trockenstabilat-Ballen“ gepresst, die später verbrannt werden sollen.

Derzeit werden die Ballen aber nur zwischengelagert, weil sich noch kein Abnehmer gefunden hat. Man hatte gehofft, durch Beifügung der Kunststoffabfälle zum Restmüll einen besonders hohen Brennwert zu erreichen, um den Brennstoff sogar verkaufen zu können.

Das Duale System (DSD) wollte sich an einem Modellversuch aber nicht beteiligen, unter anderem weil bei der geplanten Verbrennung in Zementwerken und ähnlichen Industrieeinrichtungen mit erheblichen Schadstoffwerten zu rechnen sei.

Nun hat auf Klage des Dualen Systems der hessische Verwaltungsgerichtshof den Alleingang des Lahn-Dill-Kreises mit einer einstweilige Anordnung gestoppt. Zur Begründung verwiesen die Richter auf die bundesweit geltende Verpackungsverordnung. Diese sehe eine getrennte Einsammlung von Verpackungen durch ein System vor, das von den Verursachern bezahlt werde. Ein Landkreis könne daher auf keinen Fall dazu auffordern, Kunststoffverpackungen dem kommunalen Restmüll beizugeben.

Derzeit ist in Hessen, wie auch sonst in Deutschland, nur das Duale System zugelassen. Das DSD verlangt vom Handel Lizenzgebühren und vergibt dafür den „grünen Punkt“. Theoretisch könnten sich auch andere Verwertungssysteme gründen und um die Zulassung bemühen. Diese kann von den Landesumweltministerien aber nur erteilt werden, wenn das ganze Land „flächendeckend“ versorgt werden kann – eine hohe Hürde.

„Wir haben eine Schlacht verloren und werden den Krieg trotzdem gewinnen“, erklärte gestern der Wetzlarer Landrat Karl Ihmels. Er hofft nun auf eine Initiative des hessischen Umweltministers Wilhelm Dietzel (CDU), der gestern erklärte: „Wir brauchen mehr Wettbewerb und Konkurrenz.“ Er kündigte eine Bundesratsinitiative der Landesregierung an mit dem Ziel, die bundesweit geltende Verpackungsverordnung zu ändern. Neue Anbieter sollen danach immer dann eine Chance haben, „wenn sie vernünftige Lösungen anbieten und gleichzeitig ein hohes Umweltschutzniveau garantieren“.

DSD-Sprecher Achim Struchholz wies den Vorwurf fehlenden Wettbewerbs zurück: „Das Duale System garantiert niedrige Kosten und effiziente Verfahren.“

(Az. 8 TG 3140/982)

Christian Rath

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