: Kutips zum Wochenend
Beim Frisör sitzend, dachte man als Kind: Wenn ich mal groß bin und die letzte Topflappen häkelnde Oma den Löffel abgegeben hat, werden Zeitschriften wie Frau im Spiegel mangels LeserInnenschaft ihr Erscheinen einstellen müssen. Ein kindlicher Denkfehler, wie man nun weiß. Denn an die Stelle von Topflappen häkelnden Omas, die mittlerweile tatsächlich in die ewigen Jagdgründe eingegangen zu sein scheinen, sind inzwischen Männer und Frauen getreten, die einst mit Marx, Engels und Sonnenblumen gegen die Herrschaft des Kapitals gewettert haben, Springer enteignen wollten und Frisöre in den Bankrott trieben, weil Haare schneiden als spießbürgerlich galt.
Richtig: Die Rede ist von den Grünen. Berühmte Grüne wie der Sozusagen-Che-Guevara, angsteinflößend linksradikale Umweltminister Trittin lassen sich inzwischen in Hochglanzzeitschriften für die Oma von morgen in sauteuren Klamotten ablichten. Lokale Grüne hingegen müssen zusehen, dass sie die Nähe zu Opa Krawulke aus Huckelriede über jene Druckerzeugnisse herstellen, die der lokale Markt zu bieten hat. Den Weser-Kurier zum Beispiel.
Ebendort war zu Beginn dieser Woche eine zu Herzen gehende Seite mit tollen Fotos zu bestaunen. Fraktionssprecher Helmut Zachau ist zu sehen, wie er mit seiner Frau grässlich karierte Unterwäsche auf den Wäscheständer hängt. Seine Kollegin Karoline Linnert räumt in ihrer mikrowellenbestückten Ökoküche mit ihrem Lebensgefährten die Spülmaschine ein. Und die Bürgerschaftsabgeordnete Anja Stahmann hockt neben dem IKEA-Teppich, den ihr Mann mit dem Staubsauger bearbeitet. Bei Grüns zu Haus: So richtig persönlich kam das rüber. Zumal der dazugehörige Text uns penibel darüber aufgeklärt hat, wer im Hause Zachau der Mann fürs Grobe ist, wer bei Stahmanns die schreiende Pia tröstet und warum die Linnerts es ganz gern ein ganz klein bisschen schmuddelig haben.
Schön ist das. Persönlich, puschelig, populär. Lieber Weser-Kurier: Wir flehen um Fortsetzung und schlagen vor: Helga Trüpel – so decke ich den Tisch für Gäste! Klaus Möhle – meine schönsten Campingplätze! Jörg Hutter – 20 tolle Frisuren fürs Wochenend!
Diese Grünen: Man muss sie einfach lieb haben. taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
