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Die Erde wird neu vermessen

Mit Hightech-Radarsonden aus dem Weltall wollen die Raumfahrtbehörden ESA und Nasa eine dreidimensionale Weltkarte erstellen  ■   Von Vera Stadie

Im September wird eine neue Mission zur Fernerkundung der Erde aufbrechen: SRTM. Hinter dem Kürzel verbirgt sich ein gigantisches Projekt, das Daten für eine neuartige dreidimensionale Weltkarte liefern soll. SRTM steht für Shuttle Radar Topography Mission. Nach dem Start von Cape Caneveral, der für den 16. September geplant ist, soll die mit sechs Astronauten bemannte amerikanische Raumfähre unseren Planeten elf Tage lang umkreisen. Aus 233 Kilometer Höhe sollen dabei Radarsensoren nahezu die gesamte Erdoberfläche erfassen. Das Ergebnis des Fluges wird eine neue „Weltkarte“ sein: aktuell, hoch genau und dreidimensional.

Die Landkarte auf Papier wird künftig durch dreidimensionale Geo-Informationssysteme ergänzt. Ihre Bausteine sind digitale Höhenmodelle, die für jeden Punkt der Erde drei Koordinaten – Länge, Breite und Höhe – angeben. Für diese Modelle brauchen die Geowissenschaftler ein möglichst dichtes Netz an vermessenen Punkten, die alle mit demselben Verfahren erfasst wurden. Die Vermessung muss in einem möglichst kurzen Zeittraum die ganze Erde erfassen. Die SRTM-Mission erfüllt erstmals all diese Anforderungen.

Das umfangreiche Datenmaterial, das die Astronauten auf Magnetbandkassetten zurück bringen, lässt sich vielfältig verwenden. Potenzielle Nutzer der Fernerkundungsdaten kommen aus verschiedenen Disziplinen. Hydrologen stellen an den digitalen Höhenmodellen (DHM) die genauen Überschwemmungsgebiete von Flüssen fest, Geologen können daran kleinste Veränderungen in Erdbebengebieten ablesen, Ökologen erhalten genaue Informationen über den Zustand der Vegetation, und die Klimaforscher können ihre Vorhersagen verbessern. Die präzisen DHM können zudem als Grundlage für Infrastrukturmaßnahmen in vielen, bis heute schlecht kartierten Ländern und als Basis für zahlreiche Anwendungen von der Landwirtschaft bis zur Umweltforschung dienen.

Für den Umweltschutz ist die Fernerkundung zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. Die Satellitenbilder zeigen in erschreckender Deutlichkeit, wie sich unsere Umwelt durch menschliche Aktivitäten und andere Einflüsse verändert: wie das Ozonloch wächst, die Regenwälder abgeholzt werden und die Gletscher abschmelzen. Die Klimaforscher nutzen die Informationen aus dem Weltall, um ihre Szenarien der Klimaveränderungen zu präzisieren. Künftig soll nicht nur die Wissenschaft von den Ergebnissen der Fernerkundung profitieren. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) setzt auf kommerzielle Anwender. Eines der Hauptziele des DLR ist es, die kommerzielle Nutzung der Satellitenmissionen zu fördern.

Auf dem International Geoscience and Remote Sensing Symposium (IGARSS), das kürzlich in Hamburg stattfand, betonte der DLR-Vorstandsvorsitzende Professor Walter Kröll, die kommerzielle Nutzung der Erderkundung sei „ein aufstrebender Markt“. Kröll räumt allerdings ein, dass dieser Markt noch in den Kinderschuhen stecke und sich nicht so schnell entwickelt hat, „wie wir vor zehn Jahren erwartet haben“.

In die SRTM-Mission sind 50 Millionen Mark aus dem Raumfahrtetat des Forschungsministeriums geflossen. Dazu kommt noch mehr als die Hälfte dieser Summe aus Mitteln des DLR. Die Finanzierung von Fernerkundungsmissionen wird schwieriger in Zeiten der Sparzwänge. „Private Public Partnership“ heißt das Zauberwort auch in der Welt der Satelliten. „Wir wollen neue private Märkte eröffnen und suchen nach ökonomischen Anwendungen“, so Herbert Diehl, der im Forschungsministerium die Abteilung Verkehr und Raumfahrt leitet. Hierfür sei die bisherige zehnjährige Vorbereitungsphase für Satellitenmissionen zu lang. „Private Nutzer brauchen schnellere und billigere Missionen.“

Auch bei der Nasa, so war auf dem IGARSS zu erfahren, haben lean management und Nutzerfreundlichkeit Einzug gehalten. Die amerikanische Raumfahrtbehörde setzt auf sogenannte Mikrosatelliten-Programme, die die Kosten auf ein Drittel reduzieren sollen. Probleme mit dem Budget hat auch die Europäische Raumfahrtagentur (ESA). „In den kommenden zwei Jahren muss die ESA ihre Ausgaben um zwei Drittel reduzieren“, erklärte der Generaldirektor der ESA, Antonio Rodota, auf der Tagung. Es würden daher konzentriertere und billigere Missionen geplant. Und auch die ESA macht sich auf die Suche nach zahlenden Anwendern der Erderkundungsdaten. Die Informationen aus dem All könnten beispielsweise für Branchen wie Luft- und Schifffahrt und Telekommunikation von Nutzen sein. Mit genauen Höhenkarten kann man die Ausbreitung von Funkwellen besser planen. Die DHM bieten gegenüber herkömmlichen Karten den Vorteil, dass sie auch die Bebauung und Bewaldung erfassen, die für Funkwellen Hindernisse darstellen. So lassen sich die optimalen Aufstellorte von Sendemasten für den Mobilfunk ermitteln. Und bei der Planung von Verkehrswegen lassen sich mit den neuen Geo-Informationssystemen im Voraus die zu bewegenden Erdmassen und die zu bauenden Brükken, also die größten Kostenfaktoren beim Straßenbau, berechnen. Auch für die Erkundung von Bodenschätzen liefern die geographischen Info-Systeme wertvolle Angaben. Haben Sie Ihren Garten ordentlich gewässert? Das könnten Satelliten ermitteln. Für die Landwirtschaft ergeben sich aus der Fernerkundung Erkenntnisse darüber, wo Bewässerungsmaßnahmen nötig sind, welche Ernte zu erwarten ist und welche Flächen sich nutzen lassen. Landwirte könnten aus Satellitendaten lesen, welches Getreide sie im kommenden Sommer anbauen sollten.

Mit der neuen 3 D-Karte werden auch die letzten „weißen Flecken“ auf der Weltkarte verschwinden. Für topografische Informationen über bisher nur unzureichend kartierte Drittweltländer, wie beispielsweise Eritrea, interessiert sich vor allem die Entwicklungshilfe.

Auch den Regierungen wollen die Raumfahrtorganisationen ihre Daten anbieten: für die Katastrophenvorsorge. Denn Katastrophenmanagement scheitert oft an nicht vorhandenen oder fehlerhaften Basisdaten. Mit exakten Satellitenbildern lassen sich zudem Vulkanausbrüche und Erdbeben vorhersagen und Waldbrände frühzeitig entdecken. Schon seit längerer Zeit dienen meteorologische Informationen aus dem All einer immer genaueren Wettervorhersage.

Und nicht zuletzt ist das, was die Satellitenaugen erspähen, auch für militärische Anwendungen geeignet und nicht nur in Krisenzeiten umkämpfte Information. Während des Kosovo-Krieges gab es Auseinandersetzungen zwischen Europa und den USA, weil die amerikanische Nimar (National Imagery Organization), die aus Satellitendaten Karten für die Militärs erstellt, diese nicht herausgab. Die Daten, die das SIR-C-Radar (siehe Kasten) auf der SRTM-Mission erfasst, sind Eigentum der Nasa. Im gleichen Shuttle fliegt jetzt aber erstmalig das X-SAR mit. Die Messergebnisse dieses Radargerätes sind Eigentum der Bundesrepublik. An den Höhendaten ist unter anderem das Amt für militärisches Geoinformationswesen (Amil-Geo) interessiert.

Voraussetzung für all diese Anwendungen ist eine Aufarbeitung der riesigen Datenmenge. Wie vorangegangene Erderkundungsflüge wird auch die SRTM-Mission wieder eine ungeheure Datenflut liefern – 270 Millionen Bit pro Sekunde. Nur ein kleiner Teil dieser Daten wird vom Shuttle zur Bodenstation in White Sands in der Wüste von Nevada übertragen und dort innerhalb weniger Minuten in „Quick-Look-Rechnern“ zu Bildern verarbeitet. Das ist die sogenannte Echtzeitauswertung. Die restlichen Daten werden an Bord auf Magnetbändern gespeichert und stehen erst nach der Landung des Shuttles zur Verfügung.

Die Auswertung aller Daten der elftägigen Mission wird rund zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Daten werden archiviert, verteilt, in Computermodelle eingespeist und durch Visualisierungsprogramme „sichtbar“ – und so erst verfügbar – gemacht werden. Um die Information an neue Endverbraucher zu verkaufen, müssen die Zahlen in Bilder umgewandelt werden. An neuen Techniken zur Visualisierung arbeitet derzeit unter anderem die Nasa.

Die Zahlen aus dem Weltraum werden also erst dann für die Nutzer zugänglich, wenn sie in Computermodelle eingespeist werden. An diesem Ende hakt es noch. Denn für die Verarbeitung der Daten ist eine riesige Rechnerkapazität erforderlich. Für Professor Klaus Hasselmann, den Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg – von ihm ging die Initiative zum Bau des ersten europäischen Fernerkundungssatelliten aus –, ist nicht die immer genauere Fernerkundung das Ziel. „Die eigentliche Herausforderung ist es, das System Erde zu modellieren.“ Die Anstrengungen, Daten zu produzieren, seien riesig, die Anstrengungen, diese Daten zu analysieren und zu nutzen, seien bisher noch gering, so der Meteorologe. „Wir brauchen eine bessere Balance.“ Dazu sei mehr Rechnerkapazität nötig. Beispielsweise seien die Wetterdienste nicht dafür ausgerüstet, große Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten. „Man kommt nicht nach mit der Datenflut.“

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