: Einer für alle, alle gegen einen
■ In einem Jahr muss das erst einen Monat alte Nationalparkgesetz von Niedersachsen geändert werden. Das Problem: Noch weiß keiner wie
Das niedersächsische Nationalparkgesetz ist erst einen Monat alt, aber an seiner Novellierung im Laufe eines Jahres wird fieberhaft gearbeit. Dabei sitzt das Misstrauen zwischen Nationalparkkritikern und Befürwortern tief.
Eigentlich ist mit der Umwandlung der alten Nationalparkverordnung von 1985 in ein Nationalparkgesetz alles beim Alten geblieben. Wegen der heftigen Kritik an dem Gesetz von allen Seiten hat der niedersächsische Landtag aber beschlossen, dieses Gesetz nachzubessern. In den nächsten Wochen wird Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) durch die Lande tingeln und mit den Küsten- und Inselgemeinden verhandeln.
„Wir haben nicht vor, den Nationalpark auf den Kopf zu stellen“, versucht die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, Uta Kreuzenbeck, überhöhte Erwartungen einzudämmen. Zur Zeit werden im Umweltministerium Änderungsvorschläge gesammelt.
Der jetzige Nationalpark niedersächsisches Wattenmeer besteht, wie vorher auch, aus drei Zonen. Die umschließen Wasser-, Insel- und Küstenflächen. Die Ruhezone ist die am strengsten geschützte Kategorie. Sie beinhaltet auch Betretungsverbote. Allerdings sind trotzdem Eingriffe möglich. Zum Beispiel wird die Gaspipeline Europipe durch eine Ruhezone verlegt und auch die Telefonkabel der Telekom werden in diesen Ruhezonen verbuddelt.
In der Zwischenzone und der Erholungszone vermindern sich die Einschränkungen jeweils. Aber auch hier muß bei vielen Eingriffen die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven um Erlaubnis gefragt werden.
„Die Inseln müssen aus dem Nationalpark herausgenommen werden“, fordert der Stadtdirektor von Norderney, Ludwig Salverius. Dies ist die Hauptforderung aller ostfriesischen Inseln. Außerdem verlangen sie einen Abbau der derzeitigen Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. Die Inseln werfen der Behörde Unzuverlässigkeit und Trägheit vor. Am liebsten würden die Inseln selbst über ihre Schutzzonen entscheiden. „In einer Schutzzone des Nationalparkes auf Norderney befindet sich unser Golfplatz, wenn wir den erweitern wollen, müssen wir unzählige Behörden und Institutionen um Erlaubnis bitten“, stößt es Salverius bitter auf. „Laut Gesetz müssen wir sogar den Niedersächsischen Alpenverein in Hannover am Planungsverfahren beteiligen“, ärgert sich der Stadtdirektor. „Wir leben nun mal vom Tourismus. Man kann uns durch Naturschutzgesetze nicht den Badebetrieb erschweren.“ Damit spricht der Norderneyer allen Inselbürgermeistern aus der Seele.
„Schweren Herzens haben wir dem Nationalparkgesetz zugestimmt“, umschreibt Holger Wesemüller vom WWF in Bremen die Position der großen Naturschutzverbände. Denn wenn es nach ihnen ginge, soll es im Nationalpark Flächen geben, die ausschliesslich der Natur überlassen bleiben. Diese Flächen sollen durch Pufferzonen zusätzlich geschützt werden. „Wo es ökologisch sinnvoll erscheint, muß der Nationalpark ergänzt und verbessert werden“, meint Wesemüller. Eine Aussage, die die Vertreter der Inseln zur Weissglut treibt.
Die Naturschutzverbände fordern zudem ein Nationalparkprogramm ein. Das soll festlegen, wie sich der Nationalpark in Zukunft entwickeln soll. Eigentlich müsste dieses Programm längst vorliegen. Bislang ist die Nationalparkverwaltung dieses Programm aber schuldig geblieben.
Eine andere Forderung der Naturschützer bringt die Bauern und Schäfer auf die Palme. Längerfristig sollen die Sommerdeiche an der Küste geöffnet werden, damit wieder Salzwiesen enstehen können. Die Landwirtschaft in den Vordeichen wird immer bedeutungsloser, argumentieren die Umweltschützer. Die Deichbauern dagegen wollen an der Beweidung der Deichwiesen festhalten.
Frisch ist noch der Streit um das Muschelmanagement im Wattenmeer. Nur einige natürliche Muschelbänke dürfen zur Zeit nicht abgeerntet werden. Umweltschützer dagegen fordern, die natürlichen Muschelbänke überhaupt nicht auszubeuten. Eine diesbezügliche Klage läuft derzeit bei der Europäischen Union.
Im Gegensatz zur den Inselgemeinden verlangen WWF, BUND und NABU eine Stärkung der Nationalparkverwaltung. Trotz aller Gegensätze der Interessen beginnen die Fronten vor Ort aber zu bröckeln. Man sucht pragmatisch nach Lösungen. „Das ist alles ein ein knallharter Deal“, meint Roland Gottschalk vom BUND auf Norderney. Dort fordert die Stadt zwar im Einklang mit allen anderen Inselgemeinden die Herausnahme der Insel aus dem Nationalpark, auf der anderen Seite verhandelt sie mit lokalen Verbänden über einen Kompromiss. Im Gegenzug behandelt etwa der BUND die Forderungen der Umweltschützer nicht als unantastbar. Der Tausch: Die Umweltschützer behalten ihre Ruhezone als Teil des Nationalparkes auf der Insel, dafür stimmen sie zu, wenn sich die Stadt einen Teil der Zwischenzone als normales Stadtgebiet einverleibt.
Thomas Schumacher
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