: Tourismus-Inseln gegen Naturschutz
■ In einem Jahr wird das Nationalparkgesetz wieder geändert / Das schürt Streit zwischen Insel-Vertretern und Naturschützern
„Die Inseln müssen aus dem Nationalpark herausgenommen werden“, fordert der Stadtdirektor von Norderney, Ludwig Salverius. Dies ist die Hauptforderung auch der anderen ostfriesischen Inseln im Streit um den Nationalpark Wattenmeer. Außerdem verlangen sie einen Abbau der derzeitigen Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. Die Inseln werfen der Behörde Unzuverlässigkeit und Trägheit vor. Am liebsten würden die Inseln selbst über ihre Schutzzonen entscheiden.
„In einer Schutzzone des Nationalparkes auf Norderney befindet sich unser Golfplatz, wenn wir den erweitern wollen, müssen wir unzählige Behörden und Institutionen um Erlaubnis bitten“, stößt es Salverius bitter auf. „Laut Gesetz müssen wir sogar den Niedersächsischen Alpenverein in Hannover am Planungsverfahren beteiligen“, ärgert sich der Stadtdirektor. „Wir leben nun mal vom Tourismus. Man kann uns durch Naturschutzgesetze nicht den Badebetrieb erschweren,“ damit spricht der Norderneyer allen Inselbürgermeistern aus der Seele.
Wegen der anhaltenden und scharfen Kritk an dem Nationalpark-Gesetz hat der niedersächsische Landtag beschlossen, dieses Gesetz innerhalb eines Jahres nachzubessern. Dies hat die Schlacht eröffnet. Während das Gesetz Inselgemeinden, Fischern, Jägern, Bauern zu streng ist, ist es Naturschützern zu lasch. „Nur schweren Herzens haben wir dem Nationalparkgesetz zugestimmt“, umschreibt Holger Wesemüller vom WWF in Bremen die Position der großen Naturschutzverbände. Denn wenn es nach ihnen ginge, soll es im Nationalpark Flächen geben, die ausschließlich der Natur überlassen bleiben. Diese Flächen sollen durch Pufferzonen zusätzlich geschützt werden. „Wo es ökologisch sinnvoll erscheint, muss der Nationalpark ergänzt und verbessert werden“, meint Wesemüller. Eine Aussage, die die Vertreter der Inseln zur Weißglut treibt.
Die Naturschutzverbände fordern ein Nationalparkprogramm ein. Das soll festlegen, wie sich der Nationalpark in Zukunft entwickeln soll. Eine andere Forderung der Naturschützer bringt die Bauern und Schäfer auf die Palme: Längerfristig sollen die Sommerdeiche geöffnet werden. Das Hinterland soll überflutet und wieder zu Salzwiesen entwickelt werden. Die Landwirtschaft in den Vordeichen wird immer bedeutungsloser, argumentieren die Umweltschützer. Die Deichbauern dagegen wollen an der Beweidung der Deichwiesen festhalten.
Frisch ist noch der Streit um das Muschel-Management an der Küste. Nur einige natürliche Muschelbänke dürfen zur Zeit nicht abgeerntet werden. Umweltschützer dagegen fordern, die natürlichen Muschelbänke überhaupt nicht auszubeuten. Eine diesbezügliche Klage läuft derzeit bei der Europäischen Union.
Der jetzige Nationalpark Wattenmeer besteht aus drei Zonen. Die umschließen Wasser- und Inselflächen. Die Ruhezone ist die am strengsten geschützte Kategorie. Sie beinhaltet auch Betretungsverbote. In der Zwischenzone und der Erholungszone vermindern sich die Einschränken jeweils. Aber auch hier muss bei vielen Eingriffen die Nationalparkverwaltung um Erlaubnis gefragt werden.
Trotz der Auseinandersetzung wird hinter der Front aber schon pragmatisch nach Lösungen gesucht. „Es ist ein knallharter Deal“, meint Roland Gottschalk vom BUND auf Norderney. Dort fordert die Stadt zwar die Herausnahme der Insel aus dem Nationalpark, auf der anderen Seite verhandelt sie mit örtlichen Verbänden über einen Kompromiss. Die Umweltschützer behalten ihre Ruhezone als Teil des Nationalparkes auf der Insel, dafür stimmen sie zu, wenn sich die Stadt einen Teil der Zwischenzone als normales Stadtgebiet einverleibt.
Thomas Schumacher
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