: Türkische Medienschau
Das Jahrhunderterdbeben, die zehntausenden Toten, korrupter und unfähiger Staat, enorme Hilfeleistungen des Auslandes, insbesondere die Anteilnahme der Griechen, sind die Themen der türkischen Presse.
APO und die Erdbebennacht
„In dieser Nacht hätte man sich des APO-Problems entledigen können“. So lautet die Überschrift des Leitartikels aus der Feder des Chefredakteurs der Hürriyet: „Ich habe mich gefragt, was denn in der Erdbebennacht mit PKK-Chef Öcalan auf der Insel Imrali passiert ist? (Wie ich erfahren habe), haben sie Öcalan wegen Sturzgefahr seines Gefängnisbaus hinaus in den Garten gebracht. Für einen Staat, der sich nicht an die Gesetzlichkeit halten würde, wäre dies eigentlich eine ideale Gelegenheit gewesen.
Wenn die Türkei gewollt hätte, hätte sie sich in der Erdbebennacht von der Last namens Öcalan befreien können. Aber die Türkei hat diesen Weg nicht eingeschlagen. Ab jetzt darf aber auch keiner mehr die juristische Vorgehensweise der Türkei in der Causa Öcalan kritisieren.“ (4. 9. 99)
Die Hilfe der Bundesregierung
Diese beschäftigt die in Deutschland ansässigen Kolumnisten der türkischen Tageszeitungen.
Der Chefredakteur der Sabah schreibt: „Es gibt ein Mißverständnis. Es ist nicht so, daß die Türken Deutschland auffordern würden, die Erdbebenhilfe an die Türkei zu erhöhen ... Vielmehr kritisieren wir, daß die Hilfszusagen im Stile einer öffentlichen Versteigerung gemacht werden: Die Bundesregierung hilft nur, aber ohne Herz. Über hunderte Türken, die Deutschland zu ihrer Heimat zählten, sind dem Erdbeben zum Opfer gefallen.
Wäre es eine Sünde gewesen, wenn der Bundeskanzler einem in einem Krankenhaus liegenden Erdbebenopfer in Deutschland einen Strauß Blumen überreichen würde und Genesungswünsche? Wäre eine solche Geste nicht unser, von 2,5 Millionen Türken in diesem Land Recht gewesen? Woher kommt denn diese Hochnäsigkeit? Gott sei Dank denkt und schreibt die deutsche Presse wie wir. 'Mitleid zweiter Klasse‘ so lautet der Tenor in der Kritik über das Verhalten der Bundesregierung in allen deutschen Gazetten. ... Ein letztes Wort an die Bundesregierung: Herr Innenminister Schily, Sie haben die Suchhunde, die in der Türkei eingesetzt wurden, mit Blumensträußen empfangen. Einen Blumenstrauß hätten Sie auch an die verletzten Türken überreichen können, die sich in der selben Maschine befanden ... Denn vergessen Sie nicht 2002, bei den Bundestagswahlen haben die Hunde kein Stimmrecht.“ (27. 8. 99)
Zusammengestellt von Bülent Tulay
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen