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Seine After-Eight-Minzigkeit Sky Dumont, Meister der Nebenrolle

■ Wahrheit im Serienfieber: Eine über Kino, eine über große Deutsche – zum Auftakt sogar beides auf einmal

Gallonen exquisiten Champagners und teurer Bestäubungen haben das Antlitz des Edel-Mimen Sky Dumont zu dem gemacht, was uns heute so betört: ein scharf gezirkeltes längliches Oval (so weit nicht ungewöhnlich) mit der distinguiert aristoiden After-Eight-Minzigkeit, ja Meliertheit eines pomadisierten Frisurhelms überwölbt, die Brauen zum Accent circonflexe gekehlt und der Blick in eine Ferne stechend, die man nur bekokst im Cabrio an der Côte d'Azur ertragen kann. Und manchmal huscht ein feines Grinsen über seine schmalen Lippen, das den Gedanken an lackierte Fingernägel verrät, jene ungeduldig den Perlmuttbademantel öffnend, sein seidiges Brusthaar zu durchkämmen. Die Fingernägelbesitzerinnen dürften ständig gewechselt haben; verschwendet wäre diese Skulptur von Mann von Welt an nur eine Frau.

Der Gesamtumfang seiner Noblesse garantierte Sky Dumont eine schillernde Karriere, die sich geradewegs regenbogenartig über uns erstreckt. Seine natürliche Eleganz erprobte er in zwei Folgen der berühmten „Kommissar“-Serie; in elf „Derrick“- und sechs „Der Alte“-Folgen und in „Siska“ schließlich verschmolz er übergangslos mit dem mondänen Ambiente der wenn nicht unsauber erwirtschafteten, dann unverdientermaßen in den Schoß geerbten Penthäuser seiner strahlend zwielichtigen Figuren in ZDF-Freitagskrimis.

Ein eigenwilliges Work in Progress liegt vor uns, ein Experiment in der Zeit keiner Experimente wie sonst nur die groß angelegten Selbstbildnisse eines Udo Kier oder Lindenberg. Und Dumont hält beharrlich fest an dem Hofmannsthalschen Diktum von der Wahrheit, die an der Oberfläche liegt: „Über jede neue Falte sollte man sich freuen, weil sie die Glätte nimmt.“

Die Liste seiner Rollennamen bleibt seinem eigenen keinen Pralltriller schuldig: Dem Goethischen Hans von Selbitz in „Götz von Berlichingen“ (1979) folgten nicht nur Prince Amadeo in „Lion of the Desert“ (1980), sondern auch und gerade Claudio Maldonado im „General Hospital“ (Folge von 1989) sowie Graf Claus Schenk von Stauffenberg in „War and Remembrance“ (1989) und Olaf von Ritter („Adelheid und ihre Mörder“-Folge 1996).

Der weltbekannte Lispler Stanley Kubrick erwies sich einmal mehr als Vollender und widmete ihm den bravourösen Part des Sandor Szavost in „Eyes wide shut“. Der Ungar Dumont sticht dort beinahe Tom Cruise aus und lässt den Traum der Kidman novellen. Wo Kubrick ganz auf die physische Eminenz des baronesken Parvenus setzt, fällt die Schwatzhaftigkeit der einheimischen Kinokretins noch deutlicher aus dem Rahmen. Und nur Dumonts Ernesto im ersten „Otto-Film“ ist eine wahre Erscheinung: „Oh Glück, oh Glück! Oh, wie ich dich verstehe, mein kleiner Goldfasan!“ Goldfasan zieht dem nonchalanten Zynoptimisten die schüttere Emdener Nervensäge vor, für Cosima von Borsody hingegen ist Sky the limit.

Schelmisch brachte er im Interview mit InStyle vor: „Cosi hat aus Gurken Sternchen gebastelt.“ Und Cosi weiß: „Das hat ihn echt beeindruckt.“ So schreitet die Zeit voran, und ein Geistesblitz nach dem anderen durchzuckt den „Himmel vom Berge“, wie die Navajo-Indianer ihn in ihrer den Schleier von den Dingen reißenden Art nennen würden. Den saloppen Erleuchtungen Dumonts beizuwohnen ist unverzichtbarer Teil öffentlich-rechtlicher Mythenbildungen geworden.

Es folgt Sönke Wortmanns Projekt einer filmischen Biografie von Martin Scorsese, in dem Dumont der Titelpart Marty zufallen soll. „Auch nur ein Mensch, der streckenweise genial ist“, räsoniert der lebende Beweis seiner Worte, bevor er mit dem Jaguar in die Bavaria zischt. An einen Ort wie auf Wolken unter einem Stern, der nie vom Himmel fällt.

Daniel Hermsdorf

Benjamin Heßler ‚/B‘ Große Deutsche der nächsten Woche : Carmen Nebel. Morgen allerdings: Star Wars

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