: Haie sind das kleinste Problem
Ein Jahr vor den „grünen“ Olympischen Spielen in Sydney jagen sich die Skandale, doch dafür gibt Greenpeace befriedigende Noten, und die Australier sind guter Dinge ■ Von Esther Blank
Sydney (taz) – Zwölf Monate vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney fiebert die Mehrheit der sportbegeisterten Australier dem Ereignis entgegen, trotz Hunderter nervender Baustellen, fehlender Gelder, hoher Ticketpreise, offizieller Geheimniskrämerei und zahlreicher olympischer Skandale.
Die letzte Affäre würde Socog, das olympische Organisationskomitee, besonders gerne schnell vergessen: Der künstlerische Direktor der streng geheimen Eröffnungszeremonie, Ric Birch, hatte eine riesige „internationale Jugendband“ geplant, die sieben Minuten lang während der Festlichkeiten spielen sollte. Im Juli sickerte jedoch durch, dass er vor allem junge Amerikaner und Japaner für die Band engagiert hatte. Angefeuert durch die wütenden Kommentare nationalistischer Talkshow-Moderatoren protestierten Tausende Australier gegen die „unaustralische Band“ . Der ehrgeizige „Minister für die Olympischen Spiele“ und Socog-Präsident Michael Knight sah die Felle für seine nacholympische Kampagne um das Amt des Ministerpräsidenten des Staates New South Wales davonschwimmen: Er lud die amerikanischen und japanischen Kids kurzerhand wieder aus. Die ministerielle Profilneurose kostete Socog über eine Million Dollar in Entschädigungszahlungen und beschädigte das weltoffene und gastfreundliche Image der Australier.
In letzter Minute konnte Socog-Manager Sandy Hollway eine Ausweitung des lächerlichen Skandals – und eine mögliche Verärgerung der wichtigen amerikanischen Sponsoren – mit einem Kompromissvorschlag verhindern: Die internationale Band wurde auf 2.200 Leute vergrößert. Neben Amerikanern, Japanern und Australiern werden nun Jugendliche aus weiteren 17 Ländern daran teilnehmen.
Doch kaum war diese Krise überstanden, musste sich der leidgeprüfte Olympiamanager schon wieder mit peinlichen Fehlleistungen abplagen: Die australischen Einwanderungsbehörden verweigerten Delegierten einer internationalen Konferenz für Taube und den Waisenkindern einer liberianischen Fußballmannschaft, die von der australischen Caritas zu einer Sportkonferenz eingeladen worden waren, die Einreisevisa. Die Betroffenen hatten eines gemein: Sie waren mehrheitlich dunkelhäutig und kamen aus ärmeren Ländern. Die Begründung der Einwanderungsbürokraten: Die Antragsteller „könnten versuchen“, im reichen Australien zu bleiben. Australier, die sich an die „White Australia“-Politik der 50er Jahre erinnert fühlten, fragen sich nun, wie die Einwanderungsbehörden mit den Tausenden olympischen Athleten und Betreuern aus ärmeren Ländern verfahren wollen.
Das Bild der toleranten, multikulturellen Gesellschaft, mit dem Sydney den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Spiele gewann, wird jedoch nicht nur durch das tölpelhafte Vorgehen der Einwanderungsbürokratie getrübt. Die Ureinwohner Australiens, die Aborigines, die die Bewerbung Sydneys unterstützten und in jeder Australienwerbung auftauchen, planen Proteste für Olympia. Sie kritisieren den stockenden Versöhnungsprozess zwischen der indigenen und nicht indigenen Bevölkerung Australiens. Die ehemalige Vorsitzende der Selbstverwaltungsorganisation der Aborigines, Lowjita O'Donoghue: „Die indigene Bevölkerung Australiens wird immer noch stark benachteiligt. Wenn es sein muss, werden wir dagegen vor dem Olympiagelände protestieren.“
Einen Boykott der Olympischen Spiele soll es jedoch nicht geben: „Wir lieben Sport, und wir wollen unseren Athleten nicht die Chance rauben, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und zu gewinnen.“ Politische Aktivisten wollen Touren für ausländische Journalisten zu schwer erreichbaren Aboriginessiedlungen organisieren. „Sie können sich dort selbst ein Bild der Verhältnisse machen.“ Der Druck mit der Weltmeinung hatte bereits Erfolg: Der australische Premierminister hat sich nach jahrelangem Zögern zu einem offiziellen „Ausdruck tiefen Bedauerns“ für das „von vielen Aborigines erfahrene Unrecht in der Geschichte Australiens“ bewegen lassen.
Auch der Gedanke an die Medieninvasion aus aller Welt treibt den Olympiaverantwortlichen den Schweiß auf die Stirn. 5.000 Journalisten sind bereits akkreditiert. Darüberhinaus erwarten die Veranstalter an die 10.000 nicht akkreditierte Journalisten, die aus dem ganzen Land berichten werden. Die schlechten Arbeitsbedingungen für Journalisten hatten in Atlanta zu einem Public-Relations-Debakel geführt. Sydney will das vermeiden. Sandy Hollway betont: „Wir geben pro Kopf mehr für die technische Unterstützung und das Wohlergehen der Journalisten aus als für unsere Ehrengäste des IOC.“
Die von Korruptionsskandalen geschüttelten IOC-Mitglieder müssen sich im Jahre 2000 mit bescheideneren Unterkünften und Transportmöglichkeiten zufrieden geben. Nachdem Sydney wegen des IOC-Skandals, in den auch das australische Mitglied Phil Coles prominent verwickelt war, über 200 Millionen Dollar an Sponsorengeldern verloren hatte, beschied sie der ehemalige Samaranch-Verehrer Minister Michael Knight: „Man kann auch in einem Kleinbus zu Olympischen Spielen fahren.“
Neben dem IOC-Skandal plagten die Veranstalter „des ersten grünen Olympia“ – so die Zielvorgabe – vor allem Probleme mit der Umwelt. Nur mühsam widerlegten die olympischen Organisatoren Berichte über Haie im Hafen von Sydney, die den Triathleten, die durch den Hafen schwimmen sollen, unerwartete Geschwindigkeitsrekorde bescheren könnten. Als noch unangenehmer erwies sich die dauernde Kritik australischer Umweltorganisationen, die Sydneys olympische Veranstalter in einem Anfall optimistischen Überschwangs zu den „Hütern“ des geplanten „grünen Olympia“ ernannt hatten. Doch nach anfänglichen Dioxinskandalen und zahlreichen Ausfluchtversuchen der beteiligten Baufirmen gibt Greenpeace Sydneys „grünen Spielen“ heute die Note „Gut mit ein paar Abstrichen“, so Sprecherin Blair Paulsen: „Die Veranstalter sind letzlich ihren grünen Plänen weitgehend gefolgt. Probleme haben wir noch mit den Herstellern umweltschädlicher Klimaanlagen für einige olympische Gebäude.“
Nun beten die Olympiaveranstalter nur noch um gutes Wetter für die Spiele im australischen Frühling 2000. Eröffnen wird diese Premierminister John Howard – nicht wie üblich das Staatsoberhaupt des Gastgeberlandes. Das Staatsoberhaupt Australiens ist – noch – die britische Königin. Doch ihr wollen selbst überzeugte Monarchisten nicht die Eröffnung der „Jahrtausendspiele“ überlassen.
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