: Falsche Freunde beieinander
■ Der erste „Salon Santé“ gibt Aufschluss über die „wahre“ Freundschaft zwischen Berlinern und Bonnern. Die Rheinländer wollen den Hauptstädtern die Sterne vom Himmel klauen
So kann der Schein der Freundschaft trügen. Während beim „Ersten Salon Santé – Berlin begrüßt Bonn“ in der altehrwürdigen und zu einem Museum umfunktionierte Nikolaikirche allenthalben mit Partyhappen versorgte Gäste durch das Hauptschiff wandeln, kommen einem unweigerlich Gedanken über die Gastgeber. Das sind die Berlin Chemie, ein Pharmazieunternehmen, das vor allem Diabetismedikamente und Schmerzmittel herstellt, die Deutsche Aids-Stiftung und die Stiftung Stadtmuseum Berlin. Ihr Anspruch an den Salon ist, die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Berlinern und Bonnern zu fördern.
Doch die eigentliche Drahtzieherin ist die mit dem unscheinbaren Namen versehene Bonner Marketingagentur MC.B. Dafür treibt sich deren Geschäftsführer Wolfgang G. Lange – „Klappern gehört zum Handwerk“ – umso umtriebiger auf dem Empfang herum.
Ein Berliner Zahnarzt und Gönner der Aids-Stiftung ist in Plauderlaune und erzählt, dass „die Bonner“, insbesondere „unser Freund Lange“, diesen edlen Empfang „profilneurotisch“ organisiert hätten. Im Vorfeld sei ständig von 2.000 VIPs gesprochen worden. „Wo sind die denn nun?“ Und das soziale Engagement hier mit der vorgeschobenen Aids-Stiftung sei nur scheinheilig. Daneben bewegt ihn die Bonner Politik- und Wirtschaftskaste an sich: Die wollten mal wieder zeigen, dass sie alles besser könnten. Langsam zerbricht der nette Anschein dieser Stehparty.
Es haben offenbar noch andere mit den Anderen so ihre Probleme. Der Vorstandsvorsitzende von Berlin Chemie, Hansjürgen Nelde, wirkt rührig, wenn er sich in seiner Rede um Ausgeglichenheit bemüht. Als Gastgeber will er die Neuberliner keinesfalls überfordern. Es gibt auch rheinische Häppchen.
Die Bonner meinen sich deutlicher positionieren zu müssen und bedienen ganz die Vorurteile des Berliner Zahnarztes. Wolfgang G. Lange, geschmückt mit beeindruckendem goldenem Siegelring, macht gleich mal deutlich, wer die Herren im Haus, pardon, in Berlin sein werden: Die Bonner.
„Wir werden gestalten. Wir werden die Fixpunkte in dieser Stadt setzen“, ist Lange nicht um große Worte verlegen. Und auch nicht darum, deutlich zu machen, wie er Berlin sieht: laut, schnelllebig, launisch, schnodderig und dienstleistungsfeindlich.
Einige distinguierte Berliner Herren, die sonst keinen Schmerz kennen, schauen da doch recht gequält. Schließlich gilt Lange als ein, wie er selbst sagt, „professioneller Lobbyist“, der nach eigenem Bekunden „mit der Kraft des Wortes überzeugt“ und keinesfalls mit einem „Sektglashalter“ oder „Strippenzieher“ zu verwechseln ist.
Einzig die kulturell ambitionierte Stiftung Stadtmuseum schafft es an diesem Abend ohne falschen Unterton, für sich aus dem Empfang ein Geschäft zu machen. Und darum geht es schließlich, auch wenn das kaum jemand offen sagt. Stiftungsdirektor Reiner Güntzer lässt durchblicken, dass es eigentlich nicht so sehr um Bonn oder Berlin geht, sondern um Promotion, also Geld.
Er redet deshalb unverblümt vom hungrigen Geldschlucker am Eingang des Gotteshauses, der gefüttert werden will, und preist die Nikolaikirche. „Dieser Ort wird nur an alte Freunde vermietet. Je größer die Spende, je älter die Freundschaft.“ Nur mit der Freundschaft zwischen Bonnern und Berlinern hat das alles wenig zu tun. Annette Rollmann
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