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Tafeln und Polemik

■ Eine Berliner Wessi-Bürgermeisterin erklärt, wie schlimm der Osten wirklich war

Die christdemokratische Bürgermeisterin Marlies Wanjura im Westberliner Außenbezirk Reinickendorf spricht zu gerade mal 20 Zuhörern, die teils zufällig, teils geplant in ihr Rathaus gekommen sind, um einer Ausstellungseröffnung über die Stasi-Machenschaften „diesseits und jenseits der Mauer“ beizuwohnen.Doch sie spricht, als stünde sie vor 20.000. Marlies Wanjura hat eine Botschaft. Sie philosophiert über Schuld und Mitschuld, Verharmlosung und Aufklärung. „Wir wollen einen erschütternden Einblick in das geben, was die Stasi angerichtet hat“, sagt sie. Und kommt dann wie selbstverständlich auf die PDS, „die Nachfolgepartei der SED-Diktatur“. Die versuche sich von den Greueltaten der Stasi reinzuwaschen. Mit Inbrunst wettert sie dagegen, zu vergessen, wie der DDR-Staat und die Stasi ihre Bürger belogen hätten. „Honecker hat mal gesagt: Ich liebe euch doch alle!“, sagt sie wie zum Beweis. Honecker? Von Stasi-Chef Erich Mielke stammt der Spruch. Einige lächeln süffisant.

Nachhilfe geben in den nächsten Wochen die Schautafeln: Ein großer Stadtplan von Ostberlin ist bespickt mit roten Nadeln – konspirative Wohnungen der Staatssicherheit. Ostberliner können sehen, ob jemand aus dem eigenen Haus bei „der Firma“ war. Ein Organigramm der Stasi verrät sogar Namen und Funktionen von Mitarbeitern der damaligen Bezirksverwaltung Berlin. Bis Ende des Jahres soll sie noch in Halle zu sehen sein, eine der wenige Oststationen. Bürgermeisterin Manjura weiß das zu erklären: Schließlich solle die Ausstellung zeigen, „wie intensiv die Stasi in Bezug auf Westberlin arbeitete“.

Hartmut Dießner vom Ausstellungsbüro Dießner und Partner will vor allem junge Leuten, die schon nichts mehr über die Zeit vor der Wende wissen, „auch über die Bedrohung Westberlins aufklären“. Die DDR hatte Pläne für einen Angriff auf den Westteil der Stadt in ihren Schubladen. „Wir zeigen, dass die Demokratie diktatorischen Herrschaftsstrukturen letztlich überlegen ist.“

Das betont auch Marlies Wanjura noch mal. Sie mahnt, man müsse den Terror von links und rechts bekämpfen und „den jungen Menschen zeigen, wie gut es ist, in einer streitbaren Demokratie zu leben“. Susanne Klingner

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