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Am Gelde hängt doch alles

Zwei Mal pro Woche berät der Haushaltsausschuss die Zahlen der Stadt  ■ Von Peter Ahrens

Drucksache 16/2800 oder Drucksache 16/2878 – hinter diesen Formulierungen aus dem Wörterbuch des Verwaltungsmenschen verbirgt sich die Zukunft der Stadt. Und die hängt natürlich am Gelde, die hängt am Hamburger Haushaltsplan. Der für das Jahr 2000 wird seit der vergangenen Woche Einzelheit für Einzelheit im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft unter die Lupe genommen, seziert und kommentiert. Zahlenketten werden hier aufgereiht, subtrahiert und multipliziert. Und wenn die Ausschussmitglieder alle Zahlen der Senatsbehörden einmal durch haben, fangen sie wieder von vorn an. Am Haushaltsausschuss geht nichts vorbei.

Immer dienstags und freitags von 17 bis 22 Uhr werden in diesen Wochen im Raum 151 des Rathauses insgesamt 18,5 Milliarden Mark umgewälzt. Der Etatentwurf, den Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) vorgelegt hat, ist knapp 250 Seiten dick – 250 Seiten Zahlen zu Stadtentwässerung, Straßenbau, Suchtkrankenhilfe oder Jugendarbeit. 15,9 Milliarden Mark, so erwartet die Finanzbehörde, soll die Stadt im nächsten Jahr einnehmen. Was vor allem die Steuern meint: Hamburg ist eine Stadt, die von ihrer Steuerkraft lebt. In den vergangenen Jahren hat man jeweils mehr eingenommen, als man zuvor eingeplant hatte. Diesmal sollen es 13,2 Milliarden Mark sein, die in die Stadtkasse kommen. Das sind noch einmal 600 Millionen Mark mehr, als im gültigen Haushaltsplan für 1999 ausgewiesen sind. Ohne die Mehreinnahmen bei den Steuern sähe es um die Hamburger Finanzen allerdings auch richtig finster aus.

Die Lage ist ohnehin angespannt genug. Die Verschuldung der Stadt steigt weiter und liegt bei über 33 Milliarden Mark. Fast zwei Milliarden Mark muss Hamburg alleine für Zinsen ausgeben. Die Finanzbehörde rechnet vor: Von jeder Mark, die an Steuern eingenommen wird, gehen 15 Pfennig für die Zinsen weg.

Und Risiken gibt es zudem genug, die Finanzsenatorin tanzt auf einem Drahtseil: In zwei Wochen wird zum Beispiel in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht über den Länderfinanzausgleich beraten, weil die süddeutschen Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg gegen ihn klagen. Der Finanzausgleich regelt bislang, dass die reichen Bundesländer für die armen ihren Beitrag zahlen müssen. Hamburg zählt zwar zu den Reichen und also zu denen, die ohnehin schon geben statt nehmen. Aber die Stadt fürchtet, noch erheblich mehr zahlen zu müssen, wenn der Süden mit seiner Klage durchkommt. Denn bisher profitiert Hamburg noch davon, dass Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich besser gestellt sind als die Flächenländer. Das könnte in Karlsruhe gekippt werden.

Das sind Unwägbarkeiten, die auch der Haushaltsausschuss nicht beeinflussen kann. Aber ansonsten verdichtet sich an den Dienstagen und Freitagen dieser Wochen die Macht der Politik auf den Raum 151. Die SenatorInnen müssen reihum Rechenschaft über die Ausgaben ihrer Behörden ablegen. Im Haushaltsausschuss kommen alle Politikfelder auf den Tisch. Am vergangenen Freitag setzten sich die Ausschussmitglieder innerhalb einer Stunde mit so unterschiedlichen Sachen wie Parkpflege in der Innenstadt, dem neuen Insolvenzrecht und der Eigenständigkeit der Bezirke auseinander. Alles, egal ob AusländerInnenrecht oder berufliche Weiterbildung , hat schließlich mit Geld zu tun. Und was mit Geld zu tun hat, hat mit Haushalt zu tun.

So wie die Finanzbehörde eine Schlüsselstelle im Senat inne hat, so ist der Haushaltsausschuss das Machtzentrum der Bürgerschaft. Es ist alles andere als ein Zufall, dass aus SPD und GAL in der vergangenen Woche auch der Vorschlag kam, das umstrittene Thema der Ausschreibung von Sozialprojekten zur Beratung an den Haushaltsausschuss zu delegieren. Wer in diesem Ausschuss sitzt und den rechten Gebrauch davon macht, hat einen Wissensvorsprung in der Bürgerschaft.

Das wissen die Parteien selbstverständlich, nicht umsonst sitzen die nach den Fraktionsvorsitzenden wichtigsten Leute im Ausschuss. Allen voran der einflussreiche frühere Sozialsenator Jan Ehlers (SPD) als Vositzender, der nur äußerlich so aussieht, als könne er in den NDR-Heimatgeschichten die Rolle als gemütlicher Kapitän auf einem Krabbenkutter spielen. Oder der emsige Michael Freytag von der CDU, der sich in seinen Attacken gegen den Senat nicht davon entmutigen lässt, dass seine Anträge von der rot-grünen Mehrheit regelmäßig abgebügelt werden. Oder die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Dorothee Stapelfeldt, die Haushaltsfachfrau der GAL, Anja Hajduk, oder Lutz Jobs, der Energie-Experte vom Regenbogen.

Die Haushaltsberatungen dauern insgesamt drei Monate. Sie sind gerade erst angelaufen. Der Ausschuss befindet sich noch am Beginn der ersten Lesung. Erste Lesung heißt: Alle Behörden stellen ihre Etats vor, am kommenden Dienstag zum Beispiel die Schulbehörde. Es werden Nachfragen gestellt, es werden Unklarheiten angesprochen, es werden die Sparvorgaben des verordneten Konsolidierungskurses überprüft. Was dann noch offen bleibt oder im Detail noch geklärt werden muss, kommt in der zweiten Lesung im Oktober und im November dran.

Und wenn der Ausschuss alle Zahlen durchgeackert hat, dann muss die Bürgerschaft am Ende im Dezember entscheiden. Doch dann sind die Vorentscheidungen längst gefallen – an den Dienstagen und Freitagen im Raum 151.

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