:
Der Koch, der Kellner und der Dosenöffner ■ Von Ralf Sotscheck
Vorige Woche ging es hier um die irische Hatz auf rumänische Asylbewerber. Inzwischen haben verschiedene Zeitungen das Thema aufgegriffen und ihren Landsleuten ins Gewissen geredet. Dabei sind sie mit ihrer „political correctness“ allerdings übers Ziel hinaus geschossen.
Jede Woche öffnen zwei neue Restaurants in Irland, und in ethnischen Gaststätten kann man sich einmal rund um den Globus fressen. Nur nach Rumänien führte die kulinarische Reise bisher nicht. Doch jetzt hat das „Transsylvania“ in Dublin eröffnet. Die Presse jubelte. Positive Diskriminierung nennt man so etwas wohl – Tenor: „Schaut her, sie liegen uns gar nicht auf der Tasche, sie können sogar kochen!“ Können sie aber nicht. Jedenfalls diejenigen nicht, in deren Restaurant wir saßen.
Die Speisekarte sah vielversprechend aus; sie wurde als Pergamentimitation gerollt in einer Lederröhre gereicht. Die Erklärungen zu den drei Vorspeisen und vier Hauptgerichten waren in roter Schrift gehalten, bei dem schummrigen Licht aber leider nicht zu entziffern. Das war Absicht. Der Kellner gab ein paar vage Erläuterungen, was uns zum ersten Mal misstrauisch machten. Hatten die Zeitungen in ihren Rumänen-sind-gut-Artikeln eigentlich etwas zur Qualität des Essens gesagt? Warum hatte der Kellner die Tür hinter uns abgeschlossen? Wovon sollte die Zwei-Mann-Band, die in der Ecke unsägliche amerikanische Schlager spielte, ablenken? Und was mochte sich hinter dem Gläschen „Rumänischer Wein“ für umgerechnet zehn Mark verbergen? „Wein aus Rumänien“, sagte der Kellner. Aha.
Der „heute besonders zu empfehlende original rumänische Salat“ entpuppte sich als irische Fischpampe aus der Dose. Ich erkannte die Marke auf den ersten Blick, weil ich einmal im Supermarkt auf das appetitliche Foto auf dem Deckel hereingefallen war. Dass ich dem Würgmittel noch ein zweites Mal in meinem Leben begegnen sollte, hätte ich nicht gedacht, als ich die Dose damals entsorgte. Als rumänische Eigenleistung hatte der Koch dem Zeug zwei Stäbchen Cheddar-Käse beigegeben, was dem Arrangement auf dem Teller eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem Chemiemüll-Warnschild verlieh.
Die Hauptgerichte waren ebenso grauenhaft. Die Fleischbällchen – offenbar aus einem Block Wurstmasse geschnitzt – waren in einer Tomatensauce aus der Dose ertränkt, das sündhaft teure Schweinefilet war unter Umständen Schwein, aber keinesfalls Filet. Und alles war eiskalt. Das war kein Wunder, denn als wir den Kellner wegen einer fehlenden Gabel suchten, fanden wir ihn alleine in der Küche: Er hatte die Dosen eigenhändig geöffnet und in die Mikrowelle gestellt, nebenbei die Teller abgewaschen und das Angerichtete serviert. Zwischendurch musste der kellnernde Büchsenöffner bei anderen Gästen abkassieren und ihnen zur Belohnung die Tür aufschließen.
Die irische Regierung hat entschieden, dass Asylbewerber arbeiten dürfen. So weit, so lobenswert. Vom Vergiften der einheimischen Bevölkerung war aber nicht die Rede. Lasst sie Schuhe verkaufen, Enten im Zoo waschen oder zahlt ihnen großzügige Sozialhilfe, damit sie nie wieder einen Dosenöffner in die Hand nehmen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen