piwik no script img

Der homosexuelle Mann  ■  ...  Von Elmar Kraushaar

... kennt immer nur die Sonderbehandlung. Wenn es um gleichgeschlechtliche Angelegenheiten geht in den Medien, haben alle Kreide gefressen, werden vorsichtig und kleinlaut und tun so, als sei die Minderheit ein Korb voll roher Eier. Keiner will homophob erscheinen, weder vor den Homos, erst recht nicht vor seinesgleichen. So plappert man all die Artigkeiten nach, die seit Jahren Standard sind, Hauptsache nicht ein Gedanke kommt dazwischen, der als besondere Feindschaft oder – noch schlimmer – besondere Nähe ausgelegt werden könnte.

Eine ist ausgestiegen aus diesem Mustopf: Lesben und Schwule seien „eine Gruppe, die sich anhand sexueller Vorlieben definiert, darüberhinaus aber auch ganz gewöhnliche materielle Interessen hat“; ihr „Lebensgefühl besagt, dass man selbst interessanter und irgendwie fortschrittlicher lebt als die langweiligen Heteros, die grauen Normalos“; ihr „Programm zielt darauf, einst erlittene Benachteiligung in harte Infrastruktur umzumünzen: in Planstellen, Projekte, Schwulenreferate und Beratungseinrichtungen“. So argumentiert Susanne Gaschke in ihrem CSD-Kommentar im Deutschlandradio: „Von der Diskriminierung zum Privileg“. Mein Gott, Schätzchen, möchte man dazwischenreden, so sehr liegen die Homos dem Staat nun wirklich nicht auf der Tasche. Wenn hierzulande mal Geld ausgegeben wurde für Schwule, dann doch nur, um ihnen ihren Knast zu finanzieren in schlechterer Zeit. Aber das eine oder andere Schwulen- oder Lesbenreferat – Mensch, Frau Gaschke! – treibt diesen Sozialstaat nun wirklich nicht in den Ruin.

Doch Susanne Gaschke ist nicht irgendwer. Als Redakteurin der Zeit wird sie gelobt für „freche Glossen“ und dafür, dass sie „mit Verve über alles streitet, was die 68er hinterlassen haben“. Schlagartig berühmt wurde sie mit ihrem Blick auf die „Generation Berlin“, ein Klassiker inzwischen, der noch immer Stoff liefert für Heiterkeit und Häme, dazu Kopfschütteln über diese Liebeserklärung an die jungen Konservativen und darüber, dass die Zeit solche Mumpe an prominenter Stelle wegdruckt.

Eigentlich aber sind Beziehungen ihre Sache, die heterosexuellen, mit Kind und Kindern. Um deren Zukunft zu sichern und jede Ehe zu retten, dafür kämpft Redakteurin Gaschke mit jedem Wort. Ihre Visionen gehen dabei ganz weit zurück in die Zeit, als die Heterosexualität noch was wert war. Eine „sehr grundsätzliche Entscheidung über die Zukunft unseres Zusammenlebens“, so die 32-Jährige, sei die, ob auch lesbische und schwule Paare das Recht auf Adoption bekommen sollten. Nein – jetzt wird Frau Gaschke ganz Mama –, sollen sie nicht, Kinder haben einen „Anspruch auf zwei unterschiedlich geschlechtliche Eltern“. Denn: „Vielleicht ist gestern in dieser Frage morgen.“

Bravo! Bravo, dass eine Klartext spricht und die Homos mal nicht mit Glacéhandschuhen anfasst. Das gibt einen Vorgeschmack auf die Zeit, wenn die Schonfrist abgelaufen ist und die Normalität Einzug hält. Was die Homo-Ehe noch nicht schafft, wird die Frage nach dem lesbisch-schwulen Adoptionsrecht endlich knacken: Im Namen der Kinder werden Heterosexuelle ihre Heuchelei beenden und all ihre Vorurteile auf den Tisch packen. Mit Frau Gaschke an der Spitze!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen