: Keine Bühne mehr für die eigene Inszenierung
■ Krassimir Balakow ist der Verlierer beim 4:2 des VfB Stuttgart gegen Duisburg
Stuttgart (taz) – Es war ein Händedruck nicht nur aus Höflichkeit. Als Ralf Rangnick, Trainer des VfB Stuttgart, beim Stande von 2:2 gegen den MSV Duisburg in der 68. Minute Krassimir Balakow vom Platz nahm, war die Geste wohl kalkuliert. Rangnick sprach denn auch vom „Symbol-Charakter“ seines Handelns. Wissend, dass das vorzeitige Ende von Balakows Mitwirken keinem der 18.000 Augenpaare im Neckarstadion entgangen war. Rangnick erklärte: „Ich wollte damit der Mannschaft helfen, nicht aber Balakows Auswechslung den Zuschauern präsentieren.“
Die Demontage eines vermeintlichen Stars ist nicht das Mittel, das Rangnick verwendet, um Souveränität zu demonstrieren. Stuttgarts Trainer bevorzugt die integrative Variante – ohne seine Geradlinigkeit zu verlieren. „Balakow hat unserem Spiel nicht mehr die Impulse gegeben“, sagte Rangnick. Basta. Die gab an Stelle des Bulgaren dann Krisztian Lisztes. Und der Tabellenletzte kam zum ersten Saisonsieg: Ganea (75.) und ein Eigentor von Töfting stellten den 4:2-Endstand her, nachdem zuvor Bordon (18.) und Ganea (44.) für die Stuttgarter sowie Hirsch (30.) und Beierle (58.) für den MSV trafen.
Es wäre bei weitem zu einfach, die Auswechslung Krassimir Balakows als gewinnbringenden Schachzug zu stilisieren. Allerdings hat die Maßnahme Rangnicks die Grenzen aufgezeigt, die dem bulgarischen Individualisten gezogen sind. In Rangnicks 4-4-2-System steht dem Ausleben individueller Stärken nichts im Wege, wenn dies – und das ist die entscheidende Einschränkung – im Rahmen der taktischen Grundordnung passiert. Was es nicht gibt, ist Platz für ballverliebte und lauffaule Akteure.
Balakow tendiert aber zu Hackentricks für die Galerie und ausgeprägter Vernarrtheit ins runde Objekt der Begierde bei nicht gerade übermäßiger Laufbereitschaft. Deshalb bevorzugt der VfB-Kapitän das 3-5-2-System: Mit zwei abschirmenden Defensivkräften, die ihm im zentralen Mittelfeld die Bühne überlassen für die eigene Inszenierung.
Gegen Balakows Ansinnen sprechen gewichtige Gründe. Die Kreativabteilung wird berechenbar, weil sie auf Balakow reduziert ist. Schwerer wiegt, dass der Bulgare mindestens seit der WM 1998 in Frankreich nicht mehr der Spiritus Rector ist, der er einmal war. Ohnehin will Rangnick das Spiel variabel gestalten.
Abzulesen beispielsweise an der größeren Gewichtung der Außenbahnen. Oder solchen Kleinigkeiten wie der Ausführung von Situationen mit ruhendem Ball: Was dereinst eine Domäne Balakows war, übernehmen jetzt selbst Vertragsamateure wie Pinto. „Wir wollen ihm ja nichts wegnehmen“, sagt Rangnick, „sondern nur unsere Bandbreite ausnützen.“
Die Stuttgarter Bandbreite an Inspiration blieb indes nur mäßig ausgeschöpft. Allerdings war der MSV Duisburg auch kaum mehr an Biederkeit zu überbieten. Duisburgs Töfting hätte sich bei einem Erfolgserlebnis sogar im Bereich der Kriminalität gewähnt: „Wenn wir einen Punkt mitgenommen hätten, wäre das Diebstahl gewesen.“ Der Grund: „Wir waren noch schlechter als der VfB.“
Dies ist auch Stuttgarts Trainer Rangnick nicht entgangen. Mängel in Sachen Ordnungsliebe waren unverkennbar. Rangnick verlangt von seinen Akteuren größere Aufmerksamkeit, um „situationsgemäß zu handeln“. So fehlte oftmals die Verzahnung zwischen den Reihen, die notwendig ist, um das Netz der Ballorientierung auszuwerfen. Dies ist korrigierbar. Notfalls eben per Personalwechsel: „Wir nützen nur unsere Möglichkeiten aus.“ Rangnick hat Balakow zu verstehen gegeben, dass er auf Eitelkeiten keine Rücksicht nimmt. Und auch gesagt: „Es ist nicht wichtig, ob er es einsieht oder nicht.“ Schon am Freitag, beim Meister FC Bayern München, mag sich zeigen, ob Balakow im Nachhinein lieber nicht die Hand von Rangnick geschüttelt hätte. Thilo Knott
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen