Teenagers Leistungen als Maßstab

■ Das Philharmonische Staatsorchester startete beim Musikfest eher mäßig mit einem Strauss-Programm in die neue Saison, moderiert vom launigen Roger Willemsen

Der Bremer Generalmusikdirektor Günter Neuhold ist ein Fan der Musik Gustav Mahlers und der von Richard Strauss: Beides dirigiert er gleichermaßen gut und überregional ausstrahlend. Mir ist die Gleichwertigkeit dieser Komponisten ein absolutes Rätsel, denn Mahlers Trauer über die Welt, wie sie ist, setzt Richard Strauss seine positivistische Melodik und seine perfekt glitzernde, meist illustrative Orchestersprache entgegen. In einem Brief von Arnold Schönberg ist 1914 zu lesen: „Ich kann aber doch nicht unerwähnt lassen, dass ich Strauss, so weit ich Mahler verstehe, innerlich abgelehnt habe.“ Damals war Strauss der Erfolgreiche, heute ist es umgekehrt, und das hat Mahler schon 1902 gewusst: „...meine Zeit wird kommen, wenn seine um ist.“

Das erste, in das diesjährige Musikfest eingebundene Abonnementskonzert des Philharmonischen Staatsorchesters gab reichlich Anlass zu solchen Überlegungen. Denn nicht nur interpretierten das Staatsorchester und Günter Neuhold Strauss' „Don Quixote“, sondern auch die Romanze für Violoncello und Orchester des 18-jährigen Strauss, die der Dirigent ausgegraben und 1986 in Dresden uraufgeführt hat. Auch wenn dieser unfertige lyrische Erguss den launigen Moderator Roger Willemsen zu der dämlichen Bemerkung hinriss, wir sollten das mal mit der Leistung „heutiger Teenager“ vergleichen – die leisten eine ganze Menge! –, überzeugte das Stück nur mäßig. Mit seinem „verströmenden Melos“ – so die Uraufführungskritik –, wunderbar gespielt von Miklós Perényi, reichte es nicht an die Leistung des 19-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart mit seiner formal explosiven A-Dur-Sinfonie, KV 201, heran. Der Interpretation dieses ebenfalls aufgeführten Werkes fehlte an diesem Abend bis hin zu kiksenden Hörnern letzter, besonders rhetorischer Schliff.

Bleibt für Strauss-Fans die in der Tat glänzende Wiedergabe des „Don Quixote“ mit dem Höhepunkt des „Ritt durch die Luft“. Dass Vorgaben aus der Partitur, die sich auf den Roman von Cervantes beziehen, wie „wütend“, „sehnsüchtig“ oder „entrüstet“, aber auch die Inhalte selbst wie „Unglückliches Abenteuer mit einer Prozession von Büßern“ nicht immer nachzuvollziehen sind, liegt nicht an Neuhold. „Verantwortlich“ dafür ist das Stück, das mit einfallsreichem Orchesterglanz, den Strauss so unnachahmlich beherrscht, doch an einer illustrativen Oberfläche bleibt. Die äußerst schwierigen Soli wurden hervorragend intensiv gespielt von Boris Faust, Viola, und wiederum Miklós Perényi, zu denen sich noch die Konzertmeisterin Anette Behr-König gesellte. Ute Schalz-Laurenze