: Selbstheilung durch ein Leben in Bewegung
Die Beweglichkeit der Organe, Knochen und Muskeln ist Voraussetzung für die natürliche Harmonie des Körpers, sagen die Osteopathen. Herthas Mittelstürmer Michael Preetz konnte mit Hilfe der sanften Heilmethode sogar eine Operation umgehen ■ Von Kim Kindermann
Leben ist Bewegung. Auf diesem Grundgedanken beruht die Osteopathie. Die Beweglichkeit aller Knochen und Nerven, aller Organe bis hin zur kleinsten Körperzelle ist die Voraussetzung dafür, dass jeder Vorgang im Körper problemlos ablaufen kann. Sobald auch nur eine kleine Einschränkung vorliegt, sobald auch nur zum Beispiel ein Organ sich nicht richtig bewegen kann, wird der Mensch früher oder später krank.
„Wir Osteopathen sehen den Körper ganzheitlich“, sagt Dr. Siegbert Tempelhof, „nicht nur das Symptom steht im Vordergrund, sondern der Gesamtzustand eines Patienten ist wichtig für die Behandlung.“
Aus Sicht des Osteopathen sind die inneren Organe sowie die Knochen, Muskeln und Sehnen wie in einem Netzwerk eng miteinander verknüpft. Liegt auch nur eine kleine Verletzung oder Verspannung vor, ist dadurch die Beweglichkeit eingeschränkt und die natürliche Harmonie des Körperswird gestört. Die Aufgabe des Osteopathen besteht darin, diese Harmonie wieder herzustellen.
Hat man also beispielsweise Schulterschmerzen, wird vor der Behandlung erst mal eine anatomische Gesamtanalyse erstellt. Denn die Ursache für die Schmerzen kann in der eingeschränkten Beweglichkeit eines Organs liegen oder darin, dass die Knochen nicht richtig zueinander stehen.
Der Osteopath zieht also anhand einer verspannten Muskelgruppe Rückschlüsse auf die Bewegungsblockade im Körper, die dann mit genau festgelegten Handgriffen aufgehoben wird. „Die Selbstheilungskräfte des Körpers sollen dadurch aktiviert werden“, erläutert der Osteopath Tempelhof die Behandlung, „denn der Körper ist nach unserer Überzeugung mit allem wichtigen ausgerüstet, was er braucht um gesund zu sein.“
Zurück geht die Lehre der Osteopathie auf den Amerikaner Andrew Taylor Still. Schon 1894 gründete er die Schule der Osteopathie, nachdem drei seiner Kinder an Hirnhautentzündung gestorben waren und er zur festen Überzeugung kam, dass die Ursache für ihre Krankheit in einem Strukturfehler der Knochen sowie der Wirbelsäule zu finden war. In den USA breitete sich seine Lehre rasch aus, entwickelte sich und wird inzwischen an acht Universitäten unterrichtet. Der osteopathische Doktorgrad, der so genannte D. O., ist in den USA dem konventionellen Doktortitel gleichgestellt. Anders ist die Situation in Deutschland: Hierzulande ist das Berufsbild des Osteopathen nicht staatlich anerkannt und somit auch nicht geschützt. Es kann sich also jeder, wenn er will, als Osteopath bezeichnen. Einzige Einschränkung: In Deutschland darf nur behandeln, wer entweder Mediziner oder aber Heilpraktiker ist.
Über den Ausbildungsstand eines Osteopathen sagt das dann allerdings noch wenig aus. Wer vor der Behandlung sichergehen will, dass er oder sie es mit einem richtig ausgebildeten Osteopathen zu tun hat, der sollte sich auf jeden Fall das Diplom (D. O. M. R. O.) zeigen lassen, betont Frank Schröter vom Verband der Osteopathen in Deutschland. Denn nur das D. O. M. R. O.-Diplom belegt, dass der Osteopath an einer der zehn in Deutschland existierenden Osteopathieschulen ausgebildet wurde. Fünf Jahre lang müssen die Absolventen an sieben Wochenenden im Jahr Theorie und Praxis büffeln, um am Ende eine Prüfung abzulegen und eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen. Erst danach wird ihnen das Diplom verliehen.
Und das wollen auch in Deutschland immer mehr Menschen erwerben, auch wenn der wissenschaftliche Beweis, dass eine Bewegungsblockade innerhalb des Körpers zu einer schweren Krankheit führen kann, bis heute noch nicht erbracht wurde. Doch das scheint auch die Patienten nicht zu stören, der Ruf nach einer sanften Medizin wird schließlich in den letzten Jahren immer lauter. Da verhallen viele Kritikerstimmen ungehört, die auf die Unwissenschaftlichkeit der so genannten sanften Medizin verweisen. Der Mediziner Jürgen Windeler vom Heidelberger Institut für Medizinische Biometrie etwa mahnt immer wieder einen wissenschaftlich-fundierten Wirksamkeitsbeleg solcher Methoden an. Und den haben die Ostheopathen noch nicht erbracht.
Der Frage nach dem Placeboeffekt, die immer wieder im Zusammenhang mit der Alternativen Medizin auftaucht, müssen sich auch die Osteopathen – vorerst zumindest – noch stellen. Solange die Methode in Deutschland noch nicht anerkannt ist, müssen daher auch die Patienten die Kosten der Behandlung selber tragen. Und das ist nicht billig: Bis zu 250 Mark kann eine einzige Behandlung schon mal kosten.
Trotzdem schwören immer mehr Menschen auf die Osteopathie, weil sie zum einen ohne Medikamente und ohne Geräte auskommt und zum anderen weil der Osteopath bei seinen Grifftechniken nur sehr geringe Kräfte einsetzt. Die Risiken für die Patienten sind daher eher gering.
Weitere Informationen: Verband der Osteopathen in Deutschland (VOD), Untere Albrechtstraße 5, 65185 Wiesbaden. Die Berliner Schule für Osteopathie in der Stresemannstr. 21 lädt am 19. Oktober um 19.00 Uhr zu einem kostenlosen Infoabend ein.
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