Bremens Großkoalition wird im Norden kopiert

■ Zwar will die Bremerhavener SPD sowohl mit den Grünen wie mit der CDU verhandeln – Bürgermeister Scherf und die CDU gehen aber von großer Koalition aus

Schon werden die Pflöcke eingerammt. Bereits am sonntäglichen Wahlabend sprach sich Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) dafür aus, in Bremerhaven nach den Wahlen eine große Koalition zu bilden. Auch Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) will das Modell der großen Koalition aus Bremen nach Bremerhaven exportieren.

Rein rechnerisch wäre auch eine rot-grüne Koalition in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhavens möglich. Heute will die Bremerhavener SPD Sondierungsgespräche mit der CDU, morgen mit den Grünen führen. In einer Woche soll der Parteitag des SPD-Unterbezirks Bremerhaven den zukünftigen Koalitionspartner benennen.

Nach dem amtlichen Endergebnis hat die SPD mächtig zugelegt und 42,1 Prozent der Stimmen erreicht (1995: 29,7), dicht gefolgt von der CDU mit 39 Prozent (36,9). Die DVU schaffte den Wiedereinzug in das Stadtparlament mit 5,2 Prozent der Stimmen (5,7), die Grünen mussten herbe Verluste hinnehmen und landeten bei 6,4 Prozent (11,6). Weder F.D.P. noch AfB schafften es, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,6 Prozent (49,9). Eine rot-grüne Koalition käme auf 25 von 48 Sitzen, eine große Koalition hätte 42 von 48 Sitzen.

„Ich bin heute so beschwingt wie lange nicht ins Rathaus gekommen“, sagte gestern der SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers bei einer bilanzierenden Pressekonferenz der drei demokratischen Parteichefs. Die Wahlen hätten die SPD „und niemand sonst“ als Wahlsieger hervorgebracht. CDU-Chef Bernd Neumann widersprach: Im Vergleich mit den Ergebnissen der letzten Jahrzehnte sei das SPD-Ergebnis eher schlecht. Die CDU aber habe das beste Ergebnis ihrer Geschichte in Bremerhaven eingefahren.

Für Neumann ergibt sich nun „fast zwingend“ eine Zusammenarbeit von SPD und CDU. Bei zwei entscheidenden Bremerhavener Vorhaben – Ocean-Park-Bau und Erweiterung des Containerterminals – seien SPD und Grüne meilenweit auseinander. „Da ist eine Koalition gar nicht denkbar“, sagte Neumann. Auch SPD-Chef Albers sagte in Richtung Grüne: „Wenn man sich einbuddelt, schließt man sich aus.“ Der Sprecher des Grünen Landesvorstands, Wolfram Sailer, sagte, man müsse „über alles reden können, allerdings ohne dabei das grüne Profil aufzugeben“.

Der grüne Spitzenkandidat Peter Pletz machte sich keine Hoffnungen: „Ich glaube nicht, dass die SPD den Mut zu einer rot-grünen Koalition hat“, sagte er. Die einzigen, die sich offen und direkt für eine rot-grüne Koalition stark machten, waren die Bremerhavener Jusos. Zu Henning Scherfs Koalitionsempfehlung sagte Juso-Vorsitzender Martin Günther: „Scherf ist nicht gefragt worden und täte besser daran, häufiger zu schweigen.“

Der zukünftige Bürgermeister der Seestadt wäre nach dem Willen von Albers der SPD-Spitzenkandidat Jörg Schulz. „Ohne einen Richtungsvorschlag wird es nicht gehen“, sagte Albers. CDU-Chef Neumann erkannte den SPD-Anspruch auf das OB-Amt an. In Bremerhaven wurde die Personalfestlegung aus Bremen mit Überraschung aufgenommen. Sowohl der CDU- als auch der Grünen-Spitzenkandidat gingen davon aus, dass die OB-Stelle ordnungsgemäß bundesweit ausgeschrieben und nicht vorher ausgeklüngelt werde.

cd