Rote Karte für Lear

■ Mit Humor: Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt) in den Kammerspielen

Kaum zu glauben: 37 Stücke in 97 Minuten! Doch es ist wahr: Ab dem 10. Oktober werden die Schauspieler Michael Lerchenberg, Heinrich Schafmeister und Kaberettist Michael Quast unter der Regie von Gerd Pfafferodt in den Kammerspielen Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt) an nur einem Abend präsentieren. Die Uraufführung von The Complete Works of William Shakespeare (abridged) der Reduced Shakespeare Company aus New York vor vier Jahren schlug ein wie eine Bombe. Seitdem hat sich das Autorentrio Long/Singer/Winfield mit der Destillation großer Themen wie der Bibel und der amerikanischen Geschichte einen Namen gemacht.

Natürlich liegt damit keine ernsthafte Adaption vor. Die Aufbereitung der sonst Ehrfurcht gebietenden Themen verspricht vielmehr Humor und Kurzweil. Die durch den Abend führenden Conferenciers Christoph Balthasar, John Patrick Melchior und Peter Caspar künden nicht von der Gottesherrlichkeit des Erlösers, sie wollen sich vielmehr in der heiligen Halle der Schauspielkunst der „geistigen Errettung“ der durch „Seifenopern pervertierten Zuschauer“ annehmen. In ihrer burlesken Darstellung von Shakespeares Dramen gerinnt Titus Andronicus zur makabren Androgynus-Kochstudionummer mit Anleihen an Biolek, und Othello geriert sich als ins Absurde getriebene, vulgäre Rap-Nummer. Coriolanus wiederum wird wegen der Endung „-anus“ aus Gründen der Pietät fallen gelassen und Troilus und Cressida zur kurzen „prätentiöse Performance“.

Die 16 Komödien sind zu einem Spiel der Geschlechter verknäult, und die Königsdramen geraten zu einem schnell kommentierten Fußballspiel zwischen York und Lancaster, bei dem König Lear schon bald mit roter Karte vom Platz respektive von der Bühne gewiesen wird. Nur Romeo und Julia werden längere Originaltextpassagen vergönnt. Der eine Stunde währende erste Akt ist damit vorüber. Für Hamlet bleiben noch 30 Minuten. Allerdings gerät das Dänendrama – soviel sei verraten – zum „interaktiven Happening“. Britt-Kristin Feldmann

Premiere: So, 10. Oktober, 20 Uhr, Kammerspiele