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Hürden auf dem Weg zur Teddywurst    ■ Von Susanne Fischer

Ja, ja. Jeder ein Robinson, das weiß man ja von Mädchenbeinen an. Höhlen haben sie gebaut, Baumhäuser, Iglus im Winter, und wir Mädchen durften nie mitspielen. Während wir soziale Puppenfamilien aufmachten, mit zwei bis drei Müttern und schätzungsweise neun bis elf Puppenkindern sowie einem einohrigen Flauschhasen als Pflegekind, denn wir waren tolerant und hatten keine Schwierigkeiten im Umgang mit Minderheiten, während wir uns also am Puppenherd um die nachfolgenden Generationen mühten, kannten die einsamen Wölfe nur eins: „Hau ab. Du stinkst. Mädchen stinken.“

Merkwürdigerweise stanken Mütter nicht, jedenfalls nicht so sehr, dass sie nicht kalte Platten ins Baumhaus hinaufbalancieren durften, zusammen mit der Thermoskanne Kakao. Und so verpassten die Kerls einen wichtigen Punkt im Leben, nämlich den zwischen Jagen und Sammeln einer- und Fressen und Rammeln andererseits: nein, nicht das Kochen. Das Einkaufen. Männer können nicht einkaufen. Das liegt daran, dass sie nicht fragen mögen; nie kämen sie auf die Idee, sich von der Fleischereifachverkäuferin ihr bestes Grünkohlrezept verraten zu lassen und dann die entsprechenden Waren zu erwerben. Deswegen entwickeln sie niemals ein Vertrauensverhältnis zum Personal und bekommen infolgedessen meist den Scheiß angedreht, den sonst keiner mehr kauft.

Männer sind aber nicht dumm: Spätestens, wenn sie mit dem siebenpfündigen Rippenbraten in ihr Singleapartment heimkehren, merken sie, dass irgend etwas schief gelaufen ist. Danach kaufen sie nur noch im Selbstbedienungsladen. Auch, weil sie keine albernen Namen sagen möchten, nur um ihren Lieblingsaufschnitt zu bekommen. Ein Mann, der, um seine Stimme zu schonen, an der Fleischtheke sowieso lieber mit den Zeigefingern arbeitet, bekommt in der Regel die Antwort in Rockkonzertlautstärke: „Ah, Sie möchten also fünfzehn Scheiben Teddywurst!“ Dann ist es natürlich aus. Das kann man verstehen.

Und so kommt es, dass vor uns im Supermarkt an der Kasse mehrere bedauernswerte Versager stehen: der junge Durchgestylte (Tiefkühlpizza, Vitamintabletten, eine Palette Cola, eine Palette Whiskey) und der ältere vom Leben Gebeutelte (Jumbodose Würstchen, Familienpackung rosa gefüllte Waffeln. Mit Schokoüberzug! Die niemand über zehn Jahren vertragen kann, Erwachsenen fehlt da ein Enzym und ... und eine Flasche Weinbrand; außerdem, kein Mensch weiß warum, ein einsamer Kohlrabi).

Dann aber auch noch der Rentner. Hinter seinem vernünftig und reich gefüllten Einkaufswagen lehnt er träge, ohne des Gemüses zu achten, das er kundig zusammengesammelt hat, oder des mageren Aufschnitts. Bewegungslos, blicklos, ohne Frage unglücklich. Unbewusst suchen wir nach dem Zettel in seiner Hand, das uns verrät, er ist im fremden Auftrag hier. Doch keine Einkaufsliste ist zu sehen. Dafür schießt keifend sie um die Regalecke, die ewige Baumhaushexe: „Du musst noch die Möhren abwiegen. Der Saft ist auch alle. Ich kann den Thunfisch nicht finden, oder haben wir den nicht von hier? Äpfel brauchen wir auch noch. Geh schon mal zur Kasse, aber warte auf mich!“ Wir überholen zügig. Was hat er gemurmelt? „Mädchen stinken“?

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