: Hague und der Menschenverstand
Die britischen Konservativen beenden ihren Parteitag. Parteichef Hague will den Briten ihr Land zurückgeben. Thatcher möchte ihren Pinochet wieder haben ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Die Tories feiern alleine. Ihr Parteitag, der gestern im englischen Seebad Blackpool zu Ende ging, war ohnehin auf geringes Medieninteresse gestoßen, und dann kam noch das fatale Eisenbahnunglück in London hinzu.
Tory-Chef William Hague konnte sich des Beifalls nach seiner Abschlussrede gestern Nachmittag dennoch sicher sein. Was sollen die Delegierten auch anderes machen, sie haben ja niemanden, der sie in der Wählergunst nach vorne bringt. Hague konzentrierte sich in seiner Rede auf persönliche Attacken gegen den Premierminister. „Tony Blair hat sich als Konservativer ausgegeben, obwohl er es nicht war“, sagte Hague. „Er versprach, für Britanniens Interessen in Europa zu kämpfen. Das war der große Betrug. Das war die große Labour-Lüge.“ Hague rief den Delegierten zu: „Kommt mit, und ich gebe euch euer Land zurück“
Außerdem stellte der Parteichef noch einmal sein Programm vor, das vor allem durch extreme Rechtslastigkeit auffiel. Hague will gnadenlos gegen Sozialhilfebetrug vorgehen, schärfere Strafen bei Verbrechen verhängen und den privaten Sektor bei der staatlichen Gesundheitsfürsorge heranziehen. Selbst in den eigenen Reihen heftig umstritten ist sein Plan, Eltern die Möglichkeit zu verschaffen, missliebige Schuldirektoren zu entlassen. Schulen sollen, wenn es nach ihm geht, selbstverwaltet und keiner Behörde rechenschaftspflichtig sein, weder was Zulassungsvorschriften noch die Stundenpläne angeht.
Der „linke“ Parteiflügel um den früheren Minister Michael Heseltine hat Hagues Programm Punkt für Punkt als „extrem und abgehoben“ zurückgewiesen. Das interne Chaos bei den Tories hat dazu geführt, dass die Werbeagentur Claydon Heeley ihren Vertrag mit den Tories gekündigt hat. Die Partei habe ambitionierte Ziele, sagte Agenturchef Leo Campbell, aber Fortschritte seien unwahrscheinlich.
Hague nennt sein Programm die „Revolution des gesunden Menschenverstandes“. Der ist der früheren Premierministerin Margaret Thatcher gründlich abhanden gekommen. In ihrer ersten Parteitagsrede seit ihrem erzwungenen Rücktritt 1990 sprang sie für den unter Hausarrest stehenden ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet in die Bresche.
Thatcher sprach von ihrer „Wut über die kaltblütige und ungerechte Behandlung von Senator Pinochet“. Er habe während des Falkland-Krieges wichtige geheimdienstliche Informationen geliefert, und die Labour-Regierung danke es ihm mit Kidnapping. Sie fügte hinzu, dieses Verhalten würde einem Polizeistaat alle Ehre machen. Labour plane einen Schauprozess, bei dem das Urteil bereits feststünde: „Ein langsamer Tod in einem fremden Land.“ Thatcher beschrieb Pinochet als Opfer von Menschenrechtsverletzungen. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich in meinem Leben die Ehre Britanniens und den Ruf der britischen Justiz so beschmutzt sehen würde wie in dieser Affäre“, sagte sie.
Am Vortag hatte sie in einem Interview erklärt, alle Probleme seien Zeit ihres Lebens vom europäischen Festland gekommen, während es die englischsprachigen Länder waren, die die Probleme gelöst hätten. Hague sagte gestern, Thatchers Äußerungen hätten sich auf den Zweiten Weltkrieg bezogen und seien nicht als Angriff auf die EU zu werten. Im Übrigen sei er mit ihrem Auftritt, der den Parteitag überschattete, sehr zufrieden: „Jeder freut sich, sie zu sehen, und ich tue es auch.“
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