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Karg wie Knäckebrot

■ Jazzpianist Wolfgang Dauner bekannte sich im Übersee-Museum virtuos zum Stillstand

Natürlich beginnt ein Konzert von Wolfgang Dauner so karg wie Knäckebrot. Wer war es gleich wieder, der Musik definierte als erfüllte Stille? Dauners linke Hand wischt zart und flüchtig wie der Herbstwind über die Innereien des butterweichen Bösendorfer-Flügels im Überseemuseum. Die Rechte antwortet einstimmig. Oft sind es simple Tonleiterumspielungen. An chartsfähiger Reinzieh-Melodik hatte Dauner noch nie Interesse. Er ist ein Meister der sanften Entwicklung, geht aus von einer simplen Tonfolge. Da fügt er hier mal was zu, knappst dort mal was ab, dehnt vorn, staucht hinten. Das wächst organisch wie eine gutgewässerte Topfpflanze, ohne Sprünge und Brüche, im Kleinen wie im Großen. Nach vier oder fünf Stücken hat er sich schließlich von steppenweiter Einstimmigkeit hochgearbeitet zu fulminanten Akkordkaskaden, bei denen man statt Händen nur noch schnelles Wedeln sieht.

Wolfgang Dauner gibt Konzerte, bei denen die Frauen im Publikum gerne die Augen schließen und wie früher, beim Haschkonsum, gelassen warten bis „es“ sich öffnet, dort, innen. Früher. Journalistenfrage: „Vor zehn Jahren haben sich Ihre Konzerte nicht viel anders angehört.“ Dauner: „Vor fünfzehn Jahren auch nicht.“ Obwohl LiebhaberInnen von horizonterweiternden Kollaborationen – mit Albert Mangelsdorff, dem United Jazz & Rock Ensemble oder dem „Klassik“-Pianisten Tzimon Barto – lässt sich Dauner nicht durch Vokabeln wie Permanente-Weiterentwicklung und Nur-kein-Stillstand knechten. Dauner hatte sein Working-out vor dreißig Jahren. „Da verbrannte ich Klaviere.“ Und zwar nicht mal in Anlehnung an John Cage. Fluxus lag ganz einfach in the air. Bei Ligeti allerdings hörte Dauner genau hin. Heute unterbindet er Konzertrituale mit sanfteren Mitteln. So verhindert er Applaus zwischen den Stücken durch Telepathie oder Hypnose – vielleicht waren es auch einfach die kurzen Pausen.

Obwohl sich an Dauners Klavierstil so wenig änderte wie an seinem grauen Zopf – trotz fortschreitender Glatzenbildung – ist er offen gegenüber Fremden. Muss er auch. Schließlich muss er damit leben, dass sein Sohn bei den Fantastischen Vier trommelt. HipHop oder Drum'n'bass: alles okay. Irgenwann komponierte er für Stuttgart eine Kammeroper für vier automatische Elektroklaviere. Und vor vier Jahren spielte er „Le Tombeau de Couperin“ von Ravel ein. Einen Friedrich Gulda, der relaxed nach ein paar Mozartsonaten mit Joe Zawinul jammte, schätzt Dauner sehr. In seinem Konzert aber taucht außer einer Gershwin-Prelude keine „Notenmusik“ auf; zu zeitintensiv, diese happigschweren Stücke im Repertoire zu halten. Das meiste ist Eigenbau, improvisiert über festgelegtem Melodiematerial.

Dauner dürfte zu den Pianisten mit dem häufigsten Gebrauch des Dämpferpedals zählen. „Vor allem bin ich wohl weltweit der einzige, der das mittlere Pedal, das Haltepedal, systematisch einsetzt.“ Die so entstehende meditative Wirkung wird auch unterstützt durch eine ruhige, kuppelrunde Hand, aus der die Finger wie knochenlos in die Tasten purzeln. „Bei Tzimon Barto ist es übrigens so: Seit er professionelles Bodybuilding betreibt, ist sein Pianissimo noch feiner geworden.“ Die Geburt der Leichtigkeit aus der Kraft. Wie schön. bk

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