Im Schlund der Ziege

Geschichte, Ironie und Pop: Die Ausstellung „They came by taxi“ in den Parabolica Spaces zeigt Jeansstoff-Tipis, bestickte Schinkenscheiben und Gangster, die arme Kuratorinnen als Geiseln nehmen  ■   Von Christiane Rekade

Der Effekt ist verblüffend. Die 1997 gegründete fünfköpfige Genfer Künstlergruppe KLAT hat die Parabolica Spaces in der Schlegelstraße mit schwarzem Stoff verhängt. Nur wer sich durch den Schlund des aufgenähten, rotäugigen Ziegenkopfes wagt, wer sich „fressen“ lässt, erfährt etwas von der Inszenierung und von der Show dahinter. Tatsächlich zeigt sich die Ausstellung „They came by taxi“ wie eine Bühne, auf der verschiedene Geschichten erzählt, Schein und Wirklichkeit vermischt und verschoben werden.

Der Schweizer Olaf Breuning etwa spielt in seinen Hochglanzfotografien mit den Inszenierungstechniken der Werbe- und Modefotografie. Sein Landsmann Gianni Motti steigert die „Pseudo-Authentizität“, wie sie in RTL-Beiträgen auftaucht, indem er mit nachgestellten Szenen über eine sich kürzlich in Berlin ereignete Geiselnahme berichtet – nur dass bei Motti die beiden Kuratorinnen, Annemarie Reichen und Diana Baldon, die Geiseln sind.

Mit Absperrbändern, Relikten der Geiselnahme und Karten mit Fingerabdrücken gestaltet sich die Ausstellung als Tatort. Sislej Xhafa, ein in Italien lebender Kosovo-Albaner, thematisiert wiederum in seinen Video- und Fotoarbeiten den öffentlichen Umgang mit Vorurteilen und Klischees in Bezug auf seine Herkunft. Überhaupt lassen sich an den Fragen nach Wirklichkeit und Künstlichkeit, nach vorgefassten Bildern und medialen Inszenierungen zwischen den Arbeiten Verbindungen ziehen. So transportiert die raumfüllende Projektion eines Homevideos von Christoph Büchel den intimen Raum einer Silvesterfeier im Altersheim in den voyeuristischen Kontext der Kunstausstellung.

Xhafa und Büchel gegenüber stehen Arbeiten wie die bestickten Schinkenscheiben des Belgiers Wim Delvoye oder die neonfarbigen, an die blau gekachelten Wände geklebten Blow-ups von Zeichnungen der Französin Emmanuelle Mafille.

Der zweite Raum der Ausstellung ist sehr viel ruhiger gehalten. Gleichmäßig führt das gelb auf den Boden gemalte Raster von Uwe Schwarzer die Blicke und Schritte der Besucher an Objekte der Schweizer Fabrice Gygi, Edit Oderbolz, Markus Müller und von Klaus Weber heran. Dabei werden auch die vorgegebenen Strukturen des Raumes, das Raster der Bodenplatten ebenso wie die Deckenverkleidung, durch die Kunstwerke wieder aufgenommen. Gegenüber den holzverkleideten Säulen, die den Raum teilen, schichten sich Müllers Holzbalken zu einer schweren, fast barocken Skulptur. Sie erinnern an massive Brückenpfeiler, aber auch an dunkle Wohnwände, während die fragile Konstruktion der in Basel arbeitenden Edit Oderbolz die Form einer Rampe mit Holzlatten und Alufolie nachzeichnet. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich Müllers vermeintlich schweres Holzobjekt als leichte Kartonkonstruktion und dessen Maserung als aufgesprühtes Muster.

Müller spielt mit Wertvorstellungen, die wir mit Material und Design verbinden, verblüfft jedoch mit einem Trompe l'oeil, dessen Täuschung aber sofort durchschaut werden kann.

Obwohl die Ausstellung zum großen Teil Werke von Kunstschaffenden aus der Schweiz zeigt, ist „They came by taxi“ keine Schweizer Show. Die Beiträge aus Belgien, Frankreich und Italien erweitern das Spektrum im europäischen Zusammenhang künstlerischer Positionen und zeigen andere Verbindungen auf als die der Herkunft. Der jüngeren Generation – die meisten sind zwischen 1968 und 1970 geboren – geht es um eine sehr klare und erzählerische Formensprache, mit der sie die Gegenwart beobachtet. Aber auch Ironie und Pop blitzen auf: Neben dem Ziegenkopf im Eingang hat KLAT noch einen weiteren verhangenen Raum installiert: Es ist ein Tipi – aus Jeansstoff. „They came by taxi“. Bis 23.10. Di bis Fr 14 bis 19, Sa 12 bis 18 Uhr, Parabolica Spaces, Schlegelstraße 26/27, Mitte