Originally stumpf

■ Kunsthochschule und Arbeiterklasse, BigBeat und Chanson: Der frankokanadische Prankster Chilly Gonzales tritt im Bastard auf

Chilly Gonzales kann alles. So sehr man sich sonst mit Unterscheidungen wie „Ist es stumpf oder intelligent?“ herumschlagen muss, so sehr man sich sträubt und sie nicht mehr los wird: Bei Gonzales ist man an der richtigen Adresse, wenn man diesen Widerspruch aufgelöst haben möchte. Popmusik ist Stumpfness plus Intelligenz. Kunsthochschule plus Arbeiterklasse. Und genau so kommt seine neue Platte „O.P. – Original Prankster“ daher. Kein vernünftiger Mensch würde eine Polizeisirene über einen fetten Bigbeat legen, hätte er nicht extrem stumpfe oder intelligente Gründe dafür.

Und es ist anzunehmen, dass Gonzales beides hat. Gonzales kommt aus Kanada, und wenn man ihn fragt, wer ist und was er so macht, dann bekommt man zu hören, er sei ein jewish prankster, geboren in den wilden kanadischen Wäldern, der sich dem Studium der mind control techniques gewidmet habe und in einem alten und ausgebombten ehemaligen Ostberliner Fernsehstudio sitze. In Kalifornien soll er Tracks für die französische Popchanteuse Françoise Hardy produziert haben.

Und aus Kanada läuft ihm noch der Ruf hinterher, ein Popstar zu sein, da er dort zwei Alben bei Warner veröffentlicht hat, die ihn sogar in die dortigen Charts brachten. Ein Ruf jedoch, vor dem er sich nun in seinem Berliner Studio versteckt, um hier all das zu verbinden, was ihm am Herzen liegt, wie Chansons, HipHop, retrofuturistische Filmsoundtracks und mind-control weapons. Die man sich wahrscheinlich vorstellen muss wie eine Playstation, nämlich als hoch komplexe Kombination von Intelligenz und Stumpfness. Die „Original Prankster“-EP ist noch in Hollywood entstanden.

In Berlin ist er jetzt bei Kitty-Yo gelandet, und seine EP soll nur der Auftakt sein zu einem Album, das unter dem Titel „Gonzales über alles“ im kommenden Frühjahr erscheinen soll. Und weil er alles kann, soll das Album vor allem aus sentimentalen Liedern bestehen, gecroont, als gäbe es kein Morgen, und begleitet am Klavier. Für die Record-Release-Party steht beides an: Bigbeat und Chanson, denn Gonzales' Berliner Crew besteht aus einer Reihe von Krachmacherkindern aus der Digital Hardcore-Gosse, nämlich Ec8tor und Paul PM von Fever. Auch die treibt die Angst vor fiesen Maschinen und deren Machenschaften um, und auch die bauen ihre eigenen kleinen Sandkästen, um sich dort in Förmchen zu halten. Der eine wird die Beats bereitlegen, über denen dann die anderen irren Quatsch freestylen werden. Doch davor wird Gonzales sich ans Piano setzen und Chansons singen.

Tobias Rapp

Record-Release-Party mit Paul PM, Patrick C., Nina Nixxon und Erobique im Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9