■ Press-Schlag
: Kein Verlass auf gar nichts  Und die Trainer kleben an ihren Stühlen

Fast ein Viertel der Saison ist vorbei, aber man weiß immer noch nicht recht, woran man ist. Alles plätschert, pendelt, dümpelt. Auf nichts ist Verlass. Selbst auf das Startum nicht.

Nehmen wir zum Beispiel Claudio Pizarro. Der wurde an der Weser kurzfristig zum Heilsbringer erklärt, als er zweimal nacheinander nach Belieben traf. Jetzt stolpert er den Ball kaum noch Richtung Tor. Oder Herthas Sebastian Deisler. „Basti fantasti“ wird zum größten deutschen Fußballtalent gekürt und schafft bislang doch nur eine Karriere als häufigst designierter Nationalspieler der neueren Länderspielgeschichte. Olaf Marschall, letzter Träger eines der grottengräßlichen Nasenpflaster, hat damit in Duisburg erst den richtigen Riecher, als er ein recht kurioses Tor köpfelt; dann gibt er seine Nase frei, vergibt beste Chancen und schläft beim MSV-Ausgleich in letzter Minute.

Anders Billi Reina in Dortmund: Stirnrunzeln, als der für fünf Millionen verpflichtet wurde. Und jetzt ist er Publikumsliebling und traf am Freitagabend mit einem wunderschönen Ausgerechnet-Tor (gegen seine Exs aus Bielefeld). Überhaupt Dortmund: Am liebsten hätten sie diesen Trainer Michael Skibbe schon vor der Saison rausgeekelt, jetzt steht der BVB siegtrunken ganz oben, und Skibbe wird gefeiert.

Überhaupt: die Trainer. Schon acht Spieltage vorbei und noch kein einziger Rauswurf. Wen könnte es treffen? Jörg Berger in Frankfurt nach fünf Niederlagen in Folge: „Der Trainer ist wachgeschüttelt“, verteidigt ihn vehement sein Stürmer Fjörtoft, „wir Spieler müssen aufwachen.“ Duisburgs Funkel hält sich trotz anhaltender Sieglosigkeit seiner Zebras. Könnte es gar Hitzfeld treffen, weil ihm der FC Hollywood jetzt doch aus dem Ruder läuft? Nein: Bayern schaffte den höchsten Saisonsieg und zerschlug sofort die Pizza-Connection der Woche. Wie wäre es mit Werner Lorant, dieser anhaltenden Beleidigung für Ohr und Auge?! Auch nicht: Die 60er siegen erstmals nach 20 Jahren in Bremen und erstmals auswärts in 1999.

Könnten wir entscheiden, bekäme Leverkusens Christoph Daum zumindest eine Auszeit verpasst. Da hat er mit dem Brasilianer Robson Ponte einen Filigranissimo im Team, der auch abgebrühte Beobachter regelmäßig zum Schwärmen bringt. Da vollführt dieser gegen Ulm einen derart gummibeinigen Flankentrick, dass noch jedem Zuschauer Tränen in die Augen schießen vor Begeisterung und wegen des Phantomschmerzes in den eigenen Knöcheln. Und was sagt Zuchtmeister Daum? Nun ja, „bei einem Stand von 4:0“ könne er so was „noch tolerieren“, aber wenn das noch mal vorkomme, werde er „bedingungslos dazwischen hauen“. Es könnte ja Lässigkeit aufkommen. Kurz: Es könnte sein, dass Zuschauen einfach Spaß macht.

Deutsche Hackentrick-Feindlichkeit. Abscheu vor Kreativität. Es lebe teutonische Effektivität, Tarifkick und Fußball nach Vorschrift. Wenigstens darauf ist Verlass. Bernd Müllender