: Halt's Maul! Trink dein Weißbier. Fahr nach Spanien
Daneben benehmen dürfen sich nur Superstars. Leider hat Bayerns Profifußballer Mario Basler nicht rechtzeitig gemerkt, dass er keiner mehr ist. Und nun hat keiner Mitleid. Statt warme Solidaritätbekundungen zeigen ihm alle den Lafontaine ■ Von Matti Lieske
Er ist ein genialer Spieler“, schwärmt Franz Beckenbauer, „Mario ist ein Künstler, ein Genie“, zeigt Bayern Münchens Trainer Ottmar Hitzfeld eine für seine Verhältnisse geradezu gesundheitsbedrohliche Euphorie, und Ex-Profi Paul Breitner fordert begeistert: „Einen Mario Basler muss man sich leisten können.“ Hören wir recht? Geht es wirklich um den Fußballprofi Mario Basler? Den Saufkopf? Den Nachtschwärmer, der sich einen Spaß daraus macht, die von Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß auf ihn angesetzten Detektive auszutricksen? Den Dummschwätzer? Den „Rebellen“, der die Menschenrechte endlich auch für Fußballprofis, aber vor allem für sich durchsetzen möchte, den Michael Kohlhaas der Weißbierfreunde sozusagen? Den Hitzkopf, der Linienrichter schubst und seinen Zaster verzockt? Kurzum: den Tunichtgut und Taugenichts, der „sein Privatleben überhaupt nicht im Griff hat“ (Hoeneß)?
Zugegeben, die Zitate stammen nicht von diesem Wochenende, sondern sind sechs Monate alt. Damals hatte Mario Basler die Bayern gerade mit einem „Traumtor“ (Hitzfeld) gegen Kiew ins Finale der Champions League befördert, die Floskel von „Genie und Wahnsinn“ floss Baslers Vorgesetzten genüsslich über die Lippen.
Fragt man heute bei den Münchner Bayern jemanden nach Mario Basler, legen sich die Stirnen in Falten, die Gesichter werden grau, die Blicke waidwund. Seltsame Metaphern machen die Runde, vom Maß, das voll ist, oder einem Krug, der bricht. Mario ist nicht mehr super, sondern für den Rest der Saison vom Spielbetrieb suspendiert. Uli Hoeneß geriert sich plötzlich wie ein Jugendherbergsvater und pocht auf Bettruhe ab 23 Uhr.
Was ist nur passiert im Hause Bayern München und vor allem mit Mario Basler?
Ein abrupter unvermuteter Charakterwechsel beim 30-Jährigen, die einen bis dahin braven Burschen plötzlich zum leibhaftigen Teufel, einen genialen Fußballer, für den der Verein viele Millionen hinblätterte, zum überflüssigen Ballast und Störfaktor werden ließ? Wohl kaum!
Schon vor vielen Jahren hat der Ex-Auswahltrainer der DDR, Bernd Stange, ein Verdikt für die Ewigkeit geprägt: Basler sei bis zum Hals Weltklasse, darüber aber nur Kreisklasse. Die Bayern wussten immer, wen sie sich nach München holten. Geändert hat sich nur eines: Basler hat in dieser Saison noch keinen vernünftigen Fußball gespielt, und er hat sich geweigert, seinen Vertrag zu verlängern, der im Sommer ausläuft. Dann kann er gehen, wohin er will, und Bayern bekommt keinen Pfennig für ihn. Basler lohnt sich einfach nicht mehr für die Münchner, kein Wunder also, dass sie die erstbeste Gelegenheit nutzen, um ihn loszuwerden.
Basler dagegen will seinen Vertrag aussitzen, weil er seinem Klub keine Ablösesumme gönnt. Offenbar hat er immer noch nicht begriffen, wie stark sein Stern gesunken ist. Jahrelang von den Medien zum bunten Vogel stilisiert, obwohl er immer nur ein lahme Sprüche klopfender Egomane war, bot er eine ideale Projektionsfläche für all jene, die in einem Fußballer mehr sehen möchten als einen kühlen, berufsmäßigen Ballbeweger. Witzbold, Exzentriker, Querkopf, der sich nichts bieten lässt, vor niemandem kuscht, – die Mythen waren vielfältig.
Irgendwann glaubte er selbst daran, und wie so viele aus der Unterhaltungsbranche merkte er nicht, dass die Sache nur funktioniert, solange er in seinem Job funktioniert. Ein Harald Juhnke, der nicht mehr auftritt, ist bloß ein alter Säufer, ein Dennis Rodman, der nicht mehr Basketball spielt, ein armseliger Clown und ein Mario Basler, der den Ball nicht mehr trifft, ein kleiner Arsch, der um elf Uhr zu Hause zu sein hat.
Die Privilegien des Superstars gibt es nur für den Superstar, und dass Basler ein solcher nicht mehr ist, zeigt das entsetzte Abwinken anderer Bundesligisten, die auf die Frage, ob sie ihn nehmen würden, frei nach dem Ratschlag von Günter Grass an Oskar Lafontaine reagieren: „Halt's Maul! Trink Weißbier. Fahr nach Spanien.“
Atlético Madrid zum Beispiel ist interessiert, Tabellenletzter der spanischen Liga und mit einem Präsidenten gesegnet, der einen noch hochgradigeren Knall hat als Basler. Um eine Sache wird er aber auch bei Jesús Gil y Gil nicht herumkommen: Fußballspielen.
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