piwik no script img

Prada, Prada, Prada!

Vielleicht ein situationistisches Meisterwerk: Bret Easton Ellis liest heute aus „Glamorama“  ■ Von Volker Hummel

Noch vor kurzem schärfte Harald Schmidt sein subversives Profil mit einer Lesung von American Psycho im Schauspielhaus, heute Abend hält Bret Easton Ellis selbst dort mit seinem neuen Roman Glamorama Einzug, wenngleich nur in der Kantine. Nichtsdestotrotz lenkt der Ort den Blick auf die Position, die ein „skandalöser“ Autor wie Ellis in der heutigen Literaturlandschaft einnimmt. Anstößige Literatur wird entweder von vorneherein in die Trash-Schublade geschoben – oder ihr widerfahren die Weihen der Hochkultur. Dann gibts jubilierende Aufmacher im Feuilleton der Zeit, wo American Psycho gleich zum wichtigsten Buch der Nachkriegszeit erklärt wurde. Und natürlich braucht solche Literatur als Rahmen die bildungsbürgerliche Institution der Bühne, auf der Schocks schon immer in positiv-kathartische Momente verwandelt wurde.

Was die Werke von Ellis und insbesondere Glamorama so faszinierend macht, ist das Selbstbewusstsein, mit dem sie im Spannungsfeld zwischen vergänglichem Oberflächen-Phänomen und tiefschürfender Kultur angesiedelt sind. Schon der Titel selbst klingt so angenehm wie „Gucci“ oder das auf fast jeder Seite anzutreffende „Prada“. Der Einband, von dem einem die Gesichter von Keanu Reeves, Kate Moss, Lady Di und anderer Celebrities entgegenblicken, weist das Buch als Ware aus, die durch eine möglichst hübsche Verpa-ckung Aufmerksamkeit erregen will. Hat man dann sein Geld inves-tiert und lehnt sich in der Erwartung eines hippen Lesevergnügens im Sessel zurück, stößt man wenig später auf ein Zitat von Hitler, das dem Roman vorangestellt ist: „Wer den Nationalsozialismus nur als politische Bewegung versteht, weiß fast nichts von ihm.“ Dreht man das Zitat um, erhält man vielleicht eine Aufforderung an den Leser: Wer diesen Roman als rein ästhetisches Lesevergnügen betrachtet, weiß fast nichts von ihm.

Anfangs macht es Ellis dem Leser schwer, sein Vergnügen hintanzustellen und nach tieferen Bedeutungen zu suchen. Seine Schilderung von zwei Tagen aus dem Leben von Victor Ward, „It-Boy of the Moment“, Model, dumm wie Brot und kurz vor der Eröffnung seines eigenen Clubs in New York, ist ein satirisches Meisterwerk für sich. Victor ist die perfekte Verkörperung einer Welt, in der sich alles um das Image dreht, um Medienpräsenz und den neuesten Hype; Langzeitbindungen gibt es hier ebensowenig wie Erinnerungen oder Geheimnisse. Bei fortschreitender Handlung häufen sich jedoch die Irritationen: Victor entpuppt sich als Star eines oder mehrerer Filme, deren Handlungen mit der des Romans überlappen. Ein Drehbuch schickt ihn auf eine Reise nach London, wo er für einen geheimnisvollen Auftraggeber eine alte Schulfreundin finden soll. Vom satirischen Gesellschaftsporträt mutiert der Roman zusehends zu einem surrealen Thriller, der mit unterschiedlichen Realitätsebenen spielt.

Je relativer in Glamorama der Wirklichkeitsbegriff wird, desto stärker häufen sich die für Ellis typischen Gewaltszenen. Victor landet bei einer Terrororganisation, die aus hochbezahlten Supermodels besteht. Diese naheliegende Verbindung, leben doch beide Berufsgruppen von der Aufmerksamkeit der Medien, nutzt Ellis zu einer harschen Kritik am medialen Status Quo. Detailliert beschriebene Bombenattentate und Folterungen erweisen sich nicht als Einbrüche des Realen in eine Welt der schönen Oberflächen, sondern als Apotheose des durchgestylten Medien-Events. Im Zentrum des Spektakels steht immer der Körper, ob als durchtrainierte Model-Oberfläche oder als kamerataugliches Arrangement verschiedener Körperteile.

Freilich ist es kein Zufall, dass an einer Stelle Victors Blick auf Society of the Spectacle von Guy Debord fällt, ein Buch, in dem sich eine klare Analyse der Funktionsweise der Massenmedien und Vorschläge für Gegenstrategien finden. Nicht mehr direkte Interventionen (= Terroranschläge), sondern mediale Eingriffe sollten die Gesellschaft verändern. Als ein solcher Eingriff gelesen, der sich der heutigen Medienlandschaft und des Starkults bedient, um sie zu verändern, ließe sich Glamorama vielleicht als situationistisches Meisterwerk verstehen. Wem das zu weit geht, der kann sich halt auf einen Abend mit viel Sex und Gewalt freuen, den er morgen wieder vergessen haben wird.

heute, 21 Uhr, Schauspielhaus-Kantine; Bret Easton Ellis: „Glamorama“. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999, 679 Seiten, 49,90 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen