: Gott in Zahlen
■ Schäfchenverwaltung im Hyperkomprimierverfahren
Forschern der Nasa ist es jetzt endlich – wenn auch unabsichtlich – gelungen, Kontakt mit Gott aufzunehmen. Während sie Radiowellen im All abhörten und dabei einer Kontaktaufnahme mit Außerirdischen harrten, tauchte plötzlich auf dem Bildschirm ein blinkendes, in allen Regenbogenfarben schillerndes, von einem Dreieck umschlossenes Auge auf. Sie klickten es aus lauter Gewohnheit einfach mit der Maus an und erhielten die folgende Meldung: „You've got access!“
Ja, Gott existiert! Die Vorstellung vom gütigen lieben alten Herrn mit Rauschebart müssen wir uns allerdings abschminken. Gott ist einfach nur ein Supercomputer. Hier in gebotener Kürze die technischen Daten: 10[482]Fließkommaoperationen in der Nanosekunde, 10[1094]Gigabyte RAM und 10[62964]Gigabyte Festplatte. Dort wird all das abgespeichert, was Gott an Informationen für die Schäfchenverwaltung braucht. Selbstverständlich werden diese Datenmassen spätestens seit der Bevölkerungsexplosion mit einem Hyperkomprimierverfahren auf handhabbare Größe reduziert.
Zum leichteren Überblick gibt es das Bewertungssystem JP.2, das blitzschnell all unsere Gefühle, Gedanken, Äußerungen, Blicke, Taten usw. in ein Punktesystem übersetzt. Auf der zugrunde liegenden Moraldatenbank Paul.6 fanden die NASA-Forscher eine lange Liste von Punktwerten für bestimmte Handlungen, Einstellungen usw.
Zum Beispiel bringt es 37 DP (Dogmapunkte), wenn man einer alten Dame über die Straße hilft. Ist sie mehr als 80 Jahre alt, gibt es sechs Bonuspunkte, bei zusätzlicher Gehbehinderung nochmal acht.
Natürlich gibt es auch Abzüge bei Fehlverhalten. So kostet eine rein gedankliche Papstbeleidigung bis zu 8.320 Minuspunkte – je nachdem welcher Art die Beleidigung und welcher Papst gemeint ist. Beleidigt man hingegen irgendeinen der mittelalterlichen Gegenpäpste, gibt's sogar wieder Pluspunkte. Wenn aus dem bösen Gedanken gar eine verbale Äußerung wird, wird's richtig teuer! Und zwar jedes Mal!
Ein Mengenrabatt ist nicht vorgesehen – dazu ist das ganze System, wie jeder andere Computer auch [-761.435 DP], zu unflexibel [-109 DP]. Das hieße also, dass man zum Ausgleich einer gedanklichen Beleidigung, sagen wir: von Herrn Woytila, 163,13 gehbehinderten über 80 Jahre alten Damen über die Straße helfen müsste – was aber selbstverständlich nicht aus eigennützigen Motiven geschehen darf!
Auch wer auf die vermeintlich geniale Idee käme, mit Hilfe dieses Wissens sein Denken und Verhalten im vorhinein zu kalkulieren, bekommt – kaum hat er das gedacht: Zack! – das Produkt der beiden Punktwerte aufgebrummt! Gott lässt sich nicht betuppen!
Die Forscher versuchten nun, sich irgendwie in die „Hall of Misfame“ einzuloggen, um eine der wichtigsten offenen Fragen der Geschichtsforschung zu beantworten, nämlich ob Hitler oder Stalin der Bösere war. Da aber machte es unvermittelt „klick!“ und der Bildschirm zeigte das schwärzeste Schwarz, das jemals auf Erden zu sehen war. Sie warteten ein paar Sekunden, weil der göttliche Browser irgendetwas zu laden schien, hofften auf erneuten Zugriff – als plötzlich ein Spruch auf ihrem Bildschirm erschien, der ihnen fast das Blut in den Adern gerinnen ließ: „Go to hell!“
Ulrich Eumann
[Gesamt-DP für diesen Bericht: -904.667]
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen