piwik no script img

Beliebtes, aber falsches Schema

betr.: „Stasi? Immer dabei“ von Hubertus Knabe, tazMag vom 16./ 17. 10. 99

[...] Leider folgt der Autor dem beliebten, aber falschen Schema, dass die Stasi „immer dabei“ war und dass „DDR-ergebene Kräfte in der Ökopartei“ ihr unheilvolles Spiel getrieben hätten. Schade, dass dem Historiker nicht mehr daran lag, die wahren Beweggründe und Zusammenhänge herauszufiltern und die Ereignisse in den Kontext der damaligen Zeit zu stellen, der geprägt war von dem Versuch der Grünen, den Gefahren der Konfrontation der Supermächte und der atomaren Hochrüstung zu begegnen.

Petra Kellys – von Knabe so gelobter – „Ansatz eines Zusammengehens mit ostdeutschen Friedensgruppen“ war zum Beispiel deshalb so umstritten, weil sie – ohne in einem Gremium darüber zu beraten – die Installierung eines ostdeutschen Landesverbandes der Bundespartei betrieb. Das konterkarierte den grünen Konsens, die DDR als eigenständig und nicht als „innerdeutsches“ Gebiet anzusehen, und löste bei den DDR-Verantwortlichen die entsetzte Frage aus, ob die Grünen die Politik der CDU betreiben wollten.

Mich als Kronzeugen darzustellen, der im Auftrag der Stasi die Grünen vom Pfad der Tugend abzubringen trachtete und dem leider viele Grüne und oft auch so ehrenhafte Mitglieder wie Anne Borgmann, Otto Schily oder Antje Vollmer folgten, ist wohlfeil, aber nicht wahr. Grüne Beschlüsse und gemeinsam getragene Aktionen waren immer Ergebnis intensiver, oft leidenschaftlich, aber verantwortlich geführter Diskussionen und nicht Ausdruck von Manipulation oder Fremdbestimmung. Was ich in diesen Auseinandersetzungen sagte, schrieb oder vorschlug, entsprach stets meiner persönlichen Überzeugung. Wer der Legende von der zerstörerischen Wühltätigkeit stasigeführter „Zersetzungsagenten“ innerhalb der Grünen anhängt, bedient Vorurteile und vergewaltigt die historische Wahrheit.

Dirk Schneider, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen