: „Schon 'n ordentliches Ding“
Aus der Eiszeit in Schröders Elbpark: 217 Tonnen schweres Hindernis für Containerfrachter wurde aus dem Hafen entfernt ■ Von Sven-Michael Veit
„Mir fällt mehr als ein Stein vom Herzen“, seufzte Ursula Dierks, als der Brocken sicher auf dem Strand abgesetzt war. Unter den Augen der Abteilungsleiterin im Amt für Strom- und Hafenbau und dem Beifall etlicher Hundert Schaulustiger war die Bergung des Riesen-Findlings aus der Elbe am Sonnabend um 16.52 Uhr geglückt. Seitdem schmückt der 217 Tonnen schwere Granit-Koloss den Uferstreifen vor Schröders Elbpark.
Und wurde von den Versammelten sofort in Besitz genommen. Die letzte Stahltrosse war kaum entfernt, da stürmten sie über die Absperrung hinweg auf den Findling zu, um ihn ausgiebig zu begrabbeln. Dass Steine dieser Kategorie – sechs Meter hoch und 16 Meter Umfang – jeden besseren norwegischen und schwedischen Vorgarten zieren, scherte niemanden. Der größte jemals in Hamburg gefundene Felsen, den eiszeitliche Gletscher aus Skandinavien südwärts befördert hatten, wurde einhellig und typisch hanseatisch-prosaisch bewundert: „Is' schon 'n ordentliches Ding.“
Etwa 300.000 Mark dürfte die Aktion gekostet haben, die erst im zweiten Anlauf klappte. Beim ersten Hebungsversuch am Montag war der Findling aus den Trossen des Schwimmkrans „Smit Tak“ wieder herausgeglitten. „Es ist uns diesmal gelungen, die Seile sehr viel weiter unter dem Stein zu befestigen als beim ersten Mal“, sagte Jörg Oellerich vom Amt für Strom- und Hafenbau. Zudem war das Gewicht des Brockens erheblich unterschätzt worden. Experten waren von 130 bis 140 Tonnen ausgegangen; das nunmehr vom Kran-Computer offiziell gemessene Gewicht liegt um gut 50 Prozent darüber.
Der Findling war vor drei Wochen bei Baggerarbeiten zur Elbvertiefung vor Övelgönne in Höhe der Strandperle entdeckt worden. Er galt als Hindernis für die neuen Riesen-Containerfrachter, von deren freier Fahrt auf der Elbe nach Ansicht aller Standortpolitiker das Schicksal der Hafenstadt Hamburg abhängig sei.
Nach tagelangen Vorarbeiten begann der Kraftakt am Sonnabendnachmittag gegen 16.10 Uhr unter den Augen einer Menschenmenge am Ufer, die sich mit Fotoapparaten, Videokameras, Ferngläsern und – witterungsbedingt– Thermoskannen und Regenschirmen ausgestattet hatte.
Behutsam und Zentimeter um Zentimeter hob der Schwimmkran den Brocken, der vermutlich seit 100.000 Jahren auf dem Flussboden ruhte, aus den Fluten und setzte ihn auf einem Ponton ab. Zur Sicherheit blieb der Felsen während der 400 Meter langen Fahrt flussabwärts im Seilnetz, bis er schließlich felsenfest auf dem Strand stand.
Auch am gestrigen Sonntag zog der Granitriese aus der Vorzeit viele Spaziergänger und Ausflügler an. In den nächsten Wochen werden diverse Geologen und andere Wissenschaftler hinzukommen. Sie wollen liebend gern herausfinden, aus welchem skandinavischen Vorgarten „das Ding“ in die Elbe kam.
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