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Press-SchlagJuan Robespierre

■ IOC-Präsident Samaranch geriert sich als Reformer, die Mitglieder sind beleidigt

Wenn es so weitergeht mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dann wird man kaum umhin können, sich im Jahr 2001 für eine Wiederwahl von Juan Antonio Samaranch als Präsident zu engagieren. Der Schreck über den Imageverfall seiner geliebten Organisation ist dem 79-Jährigen so gehörig in die Glieder gefahren, dass er sich vom eitlen Sonnenkönig zum eifernden Robespierre gemausert hat. „80 Prozent der Kollegen gehen die Reformen zu weit“, sagt Radsportpräsident Hein Verbruggen über die Vorschläge der 82-köpfigen Reformkommission „IOC 2000“, die am 11. Dezember der IOC-Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Samaranch gehen sie nicht weit genug. Er hat, wenn auch zähneknirschend, erkannt, dass sein IOC nur weiter als olympischer Gralshüter fungieren kann, wenn ein radikaler Wandel vollzogen wird.

Dem Gros der subalternen Mitglieder des Komitees ist derartige Weitsicht fremd. Sie fürchten nur um ihre Privilegien. „Das ist Freiheitsberaubung“, schimpft der deutsche NOK-Präsident Walther Tröger ungeniert über das von Samaranch favorisierte strikte Besuchsverbot olympischer Kandidatenstädte. „Man sieht uns als potenzielle Gauner“, regt sich der Österreicher Philipp von Schöller auf. Genau so ist es, und das vehemente Beharren der Delegierten auf ihrer verrufenen Reisetätigkeit trägt nicht gerade dazu bei, entsprechende Mutmaßungen zu zerstreuen. Dennoch wird am Ende wohl der am Samstag auf der Reformsitzung von Henry Kisssinger befürwortete Kompromiss zum Tragen kommen, nur noch streng kontrollierte Gruppenreisen zuzulassen.

Andere wesentliche Neuerungen wie Offenlegung der Finanzen, eine neue Mitgliederstruktur des IOC, begrenzte Amstperioden, öffentliche Vollversammlungen, eine zeitlich begrenzte IOC-Mitgliedschaft, Olympiaausschluss von Verbänden, die in der Dopingbekämpfung schlampen oder der Verzicht auf Pay-TV scheinen durchaus mehrheitsfähig. „Ich bin sicher, dass 95 Prozent der Vorschläge angenommen werden“, meint jedenfalls Samaranch.

Zu den Wackelkandidaten gehört die Frage, ob eine Wiederwahl des Oberbosses auch künftig möglich sein soll. „Sieben IOC-Präsidenten über 102 Jahre, das ist ein Beispiel für Stabilität“, findet der Grieche Lambis Nikolau. „Die Zeiten der charismatischen IOC-Präsidenten gehören der Vergangenheit an“, entgegnet kühl der kenianische Vizepräsident Keba Mbaye. Für jemanden, der selbst gern Nachfolger von Samaranch werden möchte, nicht unbedingt eine glückliche Bemerkung. Matti Lieske

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