: Schröder und Scharping an die Front
betr.: „Rot-Grün liefert Panzer an die Türkei“, taz vom 21. 10. 99, „Grüner Punktsieg macht der Basis Appetit auf mehr“, taz vom 27. 10. 99
Es ist schon seltsam: Da beschließt die rot-grüne Koalition erst die Lieferung eines Probepanzers an die Türkei, in der Menschenrechte nachweislich und massenhaft mit Füßen getreten werden, um danach zu erklären, noch einmal darüber nachzudenken, ob das so o.k. ist. Wenn das die Ausgestaltung der „menschenrechtsorientierten Außenpolitik“ des Ober-Grünen ist, dann haben viele Grün-SympatisantInnen sich diese wohl etwas anders vorgestellt. Warum die taz dann das Ganze auch noch als vermeintlichen „Punktsieg“ verbucht, soll verstehen, wer will.
Und: Was ist eigentlich mit der großmundigen Ankündigung des Bundesgeschäftsführers Bütikofer geworden, den außerparlamentarischen Hebel gegen die Kabinettsentscheidung einzusetzen?Vielleicht wäre es für Grün besser gewesen, in den letzten zehn Jahren die ehemalige Verankerung in den sozialen und ökologischen Bewegungen zu pflegen statt sich von ihnen Schritt für Schritt zu entfernen. Jetzt mit einer Unterschriftensammlung gegen die eigene Unfähigkeit und fehlende Standhaftigkeit auf die Straßen zu gehen, grenzt an politische Dämlichkeit. Marc Böhmann, Heidelberg
„Wenn ich das richtig sehe, werden Panzer auch in der Türkei nicht unbedingt zur Schülerbeförderung eingesetzt“, meinte kürzlich der SPD-Europaparlamentarier Willi Piecyk sarkastisch. In einem Zeitungsinterview Anfang Oktober erklärte die bündnisgrüne Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Claudia Roth: „Wenn denn Menschenrechte Leitmotiv deutscher Außenpolitik sein sollen, dann kann der Bundessicherheitsrat (...) nur Nein sagen. Ein Ja wäre ein außerordentlich kontraproduktives Zeichen. Ich denke, die Türkei braucht ganz andere Unterstützungen auf dem Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“ [...]
Dass türkische Militärs seit Jahrzehnten gegen die kurdische Bevölkerung schwere deutsche Waffen einsetzen, wussten alle Verantwortlichen. Sozialdemokraten wie Grüne haben während der Regierungszeit Kohls die Waffenlieferungen noch scharf missbilligt und als heuchlerisch verurteilt. Heute scheint ihr Gedächtnis einer Art Polit-Alzheimer zum Opfer zu fallen. Die Panzereinsätze wurden jedoch auch von Bremer Menschenrechtlern wie Walter Ruffler oder Arendt Hindriksen gesehen und angeprangert. Doch „vitale Interessen“ der Nato kommen wohl vor jeder Moral, wenn 1.000 zusätzliche Panzer an ihrer Südflanke „freie Zugänge zu Rohstoffquellen“ sichern sollen. Es ist erfreulich, dass die hanseatischen Landesvorstände von SPD und Grünen Gegenaktionen planen. Wir Friedensbewegte sollten dies heftig unterstützen! [...] Wieland von Hodenberg, Bremen
betr.: „C-Waffen-Labor für Türkei“, taz vom 28. 10. 99
Ich kann dieses ganze verlogene Gewäsch, kontinuierlich über die Jahre herausposaunt, nicht mehr hören. Nö, deutsche Panzer kämen nicht gegen Kurden zum Einsatz. Jetzt: Es ist doch bloß so ein Test-Panzerchen. Und: C-Labor – rein zu defensiven Zwecken. Für wie bescheuert halten die uns eigentlich? Und für wie „inkompetent“ die türkischen Militärs?
[...] Die BRD macht sich meiner Meinung nach schuldig der Beihilfe zum Völkermord. Es ist ein elend schmutziges Geschäft, das „Bunt“ den Schwarzen folgend weiterbetreibt. Ich fordere daher: Schröder und Scharping an die Front – ein Tag in Kurdistan. Sie sollten einmal den Opfern dieser deutschen Politik ins Auge sehen. Aber es ist natürlich weitaus angenehmer, wenn sie dort ungehört verrecken, als wenn sie hier demonstrieren. Silvana Beer, Hildesheim
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