Die gemeine Maribor-Variante

Ausgeschieden: Bayer Leverkusen liefert ein Spiel voller Torchancen und Verzweiflung, aber die destruktiven Gäste hielten das tragische 0:0    ■ Aus der BayArena Katrin Weber-Klüver

Die Blicke gingen ins Nirgendwo. „Tiefe Enttäuschung und Leere“, spürte Christoph Daum. „Solange ich hier bin ...“, begann Reiner Calmund, und wusste nicht weiter. Sie waren fassungslos, der Trainer und der Manager, und machten keinen Hehl daraus. Denn an vieles hatte man in Leverkusen gedacht und sich auch prophylaktisch auf das Ausscheiden aus der Champions League eingestellt.

Was dann aber tatsächlich am letzten Spieltag passierte, konnte Calmund, sonst nie verlegen um Kommentare, eben nur „schwer in Worte fassen“.

Jenseits aller Phantasien von römischem Laisser-faire in Kiew und einem dann wertlosen Torfestival in Leverkusen war ganz prosaisch das Gegenteil eingetreten: Lazio hatte honorig in Kiew gewonnen – und Bayer damit den Weg in die nächste Runde geebnet. Bayer aber stürzte mit einem Remis gegen NK Maribor ab. Diese Ergebniskombination, sagte Calmund dann doch noch, „macht den Horror komplett“.

An der Überlegenheit Leverkusens gegen Maribor gab es keinen Zweifel. Die Statistik wies 70:30 Prozent Ballbesitz aus. Vom reinen Augenschein her hätte man 90:10 auch ohne weiteres geglaubt. Die Torschuss- und Ecken-Statistik gab entsprechende Auskünfte: 21 Ecken von Leverkusen standen 2 von Maribor gegenüber, 13 Leverkusener Torschüssen keiner der Gäste. Am Ende aber stand es immer noch 0:0.

Selten sind Daten so zweifelsfrei auszulegen wie diese. Man hätte das Spiel nicht einmal sehen müssen, um zu wissen, wie es abgelaufen war. 100 Minuten lang rannten zehn Leverkusener auf einen Strafraum zu, in dem zehn Verteidiger sie bereits erwarteten. Diese Maribor-Defensive war derart leidenschaftlich destruktiv und effektiv, dass man auf der Tribüne auf verschiedene Gedanken kommen konnte.

Etwa darauf, wie abhängig Bayer eigentlich von Ulf Kirsten ist. Gesperrt musste der Stürmer das Spiel von außen mit ansehen. Und ein ums andere Mal wendete er sich verzweifelt ab, wenn wieder eine halbhohe Flanke aus dem Halbfeld kein Ziel gefunden hatte. Kirstens Stellvertreter liefen emsig in und um den Strafraum herum. Was sie dabei produzierten, war bis auf wenige Ausnahmen nicht zwingend, sondern verzweifelt. Ersatzstürmer Brdaric sagte später schicksalsergeben: „Der Ball wollte nicht über die gegnerische Torlinie.“

Die mit der Spieldauer und der Summe der vertanen Chancen zunehmende Nervosität führte zu immer größerer Planlosigkeit. Vermutlich hätte Bayer in der zweiten Hälfte eine Auszeit gebraucht, um zu überlegen, wie man Maribor aus der Reserve locken könnte, damit wenigstens einmal Platz für einen Angriff entstünde. Doch die Gäste beschränkten sich stoisch auf eine einzige Angriffsvariante, nämlich das Kontern, und hatten damit sogar die besten Torchancen der gesamten Partie. Maribors Zielsetzung war aber gar kein Sieg, sondern dass gar nichts passierte. Auch wenn ein 0:0 in Leverkusen vermutlich nicht als Stoff für Legenden in die Vereinsgeschichte eingehen dürfte, war für Trainer Bojan Prasnikar „der Punkt das i-Tüpfelchen auf der Champions League, die für uns eine Schule war“.

Leverkusen hingegen hatte den Wettbewerb als Reifeprüfung angelegt. Das Ergebnis: durchgefallen, weil von sechs Spielen nur eines, das in Maribor, gewonnen wurde. Das Weiterkommen, sagte daher Brdaric, „haben wir nicht heute verspielt, sondern die Spieltage zuvor“. Und zwar in den Heimspielen, in denen die Elf „überzeugend aufgetreten ist, aber die Tore nicht gemacht hat“, wie Trainer Christoph Daum zusammenfasste.

Beim Aufstieg in die europäische Spitze wähnten sich die Leverkusener den Großen aus Rom und Kiew fast ebenbürtig. Erfahren aber mussten sie schließlich, dass der Weg immer schwerer und die Luft immer dünner wird, je näher man dem Gipfel kommt. Leverkusens Energie war früh verbraucht. Weshalb nun Daum am Ende des Ausflugs Champions League „fast entwaffnet“ nichts als die Erkenntnis bleibt: „Mehr ist bei uns nicht drin!“

Leverkusen: Matysek – Reeb (46. Brdaric), Nowotny, Zivkovic – Hejduk, Schneider (75. Hoffmann), Emerson, Ramelow, Beinlich – Reichenberger (46. Ponte), Neuville.

NK Maribor: Gresak – Galic, Zidan, Sarkezi, Vugdalic, Karic, Djuranovic, Balajic (90. Dragusha), Seslar, Filipovic (90. Filekovic), Simundza (56. Bozgo) – – –.

Zuschauer: 22 500 (ausverkauft).