: „In der Höhle des Löwen gewesen“
■ Regionalliga Nord: Ein Trainer schielt nicht mehr, der andere will nicht mehr arbeiten
Lübeck Drei Spieltage vor Ende der Halbserie steht der VFL Osnabrück als Herbstmeister der Regionalliga Nord fest. Dass der Schlusspfiff der Partie beim VFB Lübeck keinen ekstatischen Jubel auslöste, lag wohl daran, dass bereits vor dem gerechten 1:0-Sieg an der Lübecker Lohmühle niemand mit etwas anderem als einer souveränen Osnabrücker Tabellenführung gerechnet hätte. Und so wurde der Siegtreffer von Daniel Thioune routiniert zur Kenntnis genommen, während Lübecks Trainer Uwe Erkenbrecher den Kampf um die Meisterschaft bereits 19 Spieltage vor Saisonende abgehakt zu haben scheint: „Unser Ziel ist Platz eins bis fünf. Wir haben nur mit einem Auge auf Platz eins geschielt.“
Kiel Eine derart ungesunde Stellung der Augen scheint zur Conditio Humana eines Fußballtrainers zu gehören. Denn auch Norderstedts Trainer Kurt Hesse traute seinen Augen im Kieler Holstein-Stadion nicht: Seine Spieler erzwangen in 90 Minuten gerade mal eine Torchance – zu wenig, um das Schleswig-Holsteinische Duell für sich zu entscheiden: Dirk Bremser erzielte beide Treffer für die Kieler, wo am Freitag immerhin 1.502 ZuschauerInnen mitbekommen hatten, dass an der Förde auch außerhalb der Ostseehalle Sportveranstaltungen stattfinden.
Hamburg Am Sonntag morgen um halb zwölf traf sich eine größere Gruppe St. Pauli-Fans am Hamburger Hauptbahnhof. Wer vermutete, die Fans hätten aus Frust über die Darbietungen der Profis den Massenexodus gewählt, sah sich getäuscht: Per „Wochenendticket“ ging es nach Celle, wo die vereinseigene Regionalligamannschaft überraschend mit 2:1 gewann. Die von Ex-Profi Joachim Philipkowski betreute Mannschaft profitiert derzeit von der Malaise der Reimann-Schützlinge: Je erfolgloser der Überbau, desto inniger werden die liebevoll „Kiezkicker“ getauften Amateure geliebt. So innig, dass sich Lüneburgs Goalgetter Marinus Bester letzte Woche nach dem Schlußpfiff etwa zwanzig St. Pauli-Fans gegenübersah, die ihn mit Schlägen und Tritten traktierten. Der tm3-Reporter hatte es sich nicht nehmen lassen, sein Tor zum 1:0-Siegtreffer dadurch zu zelebrieren, dass er den Zuschauern anschließend ein HSV-T-Shirt präsentierte, das er unter seinem LSK-Trikot trug. Dass das Niveau der etwas präpubertär anmutenden Provokation allerdings noch unterboten wurde, freute wiederum die (wenigen) Anhänger der HSV-Amateure.
Stellingen Dort nämlich lief Marinus Besters LSK am gestrigen Sonntag auf und wurde vom Dachverband der HSV-Fans mit Blumensträußen und einer Einladung zum Essen geadelt. In der Stadionzeitung hieß es in Richtung Millerntor: „Wer die Faust regieren läßt, nur weil sich einer zum HSV bekennt, sollte uns zukünftig mit der Mär von der friedfertigen Welt St. Pauli verschonen.“
Marinus Bester indes erklärte auf Nachfrage, dass ihn weder von Seiten der St. Pauli-Fans noch vom Verein „irgendwelche Entschuldigungen“ erreicht hätten: „Ich bin aber letzte Woche in der Höhle des Löwen gewesen. Dort habe ich mich nett mit einigen Pauli-Fans unterhalten“, wußte Bester über einen Besuch in der Szene-Kneipe „Blaue Nacht“ zu berichten. Angesichts von soviel Harmonie zwischen dem Verein mit der Raute und dem Lüneburger SK mochte es Bester auch niemand übelnehmen, dass er den HSV-Nachwuchs noch tiefer in den Keller schoß: In der 49. Minute markierte er den 2:1-Endstand, nachdem der Hamburger Joachim N'Tsika einen Treffer des Lüneburgers Torsten Sachs egalisiert hatte. Die Lüneburger Glücksgefühle mochte dann auch Schiedsrichter Hennecke nicht relativieren: Und so versagte er einem HSV-Treffer in der 90. Minute die Anerkennung. Vermutungen, was ihn zu dem Pfiff bewogen haben könnte, mochte auch auf der anschließenden Pressekonferenz niemand abgeben. Lediglich HSV-Trainer Ralf Schehr monierte nochmal, dass sein Team von den Schiedsrichtern nicht sehr gemocht werde. Das kann man von den Gegnern des HSV indes nicht behaupten: Der Profinachwuchs hat es in bisher 15 Spielen gerade auf vier Punkte gebracht. Das findet auch Ralf Schehr zu wenig: Bereits vor dem Spiel sickerte durch, dass er sein Amt an den bisherigen Stellvertreter Stefan Böger abgibt. Christoph Ruf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen