■ Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Am Abend des 9. 11. nervte mich ein schottischer Journalist, der es satt hatte, durch mich immer nur Dissidenten zu treffen. Er wollte mal richtige DDRler kennen lernen. Ich schleppte ihn also in die Umweltbibliothek im Keller der Zionskirche in Berlin-Mitte, wo man sich gerade zum wiederholten Male ein Video von Schabowskis Pressekonferenz ansah. „Wir treffen uns morgen in Westberlin zum Frühstück, ja?“, witzelte einer. Keiner konnte glauben, dass man jetzt wirklich einfach durch die Mauer gehen könnte. Und meinem Schotten versprach ich, jetzt aber endlich authentische Ostdeutsche zu besorgen.

In einer Kneipe trafen wir schließlich ein „normales“ Paar. Die erzählten von ihrem Wunsch nach ausreichend Obst und Gemüse – und nach Reisen in den Westen. Am späten Abend ging ich mit dem Schotten in Richtung Grenze und Friedrichstraße, wo sich Hunderte von Menschen drängten. Das Unglaubliche schien wahr: Man konnte tatsächlich einfach durch die Mauer gehen. Meinem Schotten gefiel das alles gar nicht, ihm war das zu wenig ostdeutsche Normalität. Im Trubel der Maueröffnung verlor ich ihn dann aus den Augen. Nach Hause in Westberlin kam ich erst nach Mitternacht. Meine Zimmergenossin meckerte über den Lärm, den ich machte. „Ich will schlafen“, schnauzte sie mich an. „Die Mauer ist auf!“, antwortete ich entgeistert. Und sie: „Ich weiß, ich will endlich schlafen.“

Belinda Cooper, heute Senior Fellow am World Policy Institute der New Yorker New School, war 1989 Fulbright-Stipendiatin in Berlin.

Sie arbeitete damals bei Radio 100 und mit der Ostberliner Umweltgruppe Arche zusammen