: Zwischen Titten und Sprühflasche
■ Die große AjaxShowerPowerDuschaktion – und wie alles begann
So sind sie, die jungen Werbeleute: atemberaubend kreativ, Innovation zum Werkzeug, den Zeitgeist totsicher im Visier. In München bei Avantgarde Kommunikation wird wohl irgendwann einer aufgeschrien haben: „Leute ich hab‘s! Das wird Wahn-sinn!“ Und die anderen riefen: „Hey, Mann, das ist es! Ja, so machen wir‘s.“ Dann trugen sie fieberhaft ihre witzigen Einfälle zusammen – für eine Promotionkampagne: die „große Ajax Shower Power Duschaktion“. Etwa so:
Dieser Duschreiniger, nicht wahr, der muss ganz fresh rüberkommen. Mit einer echten Dusche zum Testen. In einem Baumarkt vielleicht, mitten im Weekend-Shoppingfieber. Und einem Walkman für jeden Tester. So was zieht, vor allem im Osten. Und damit die Leute auch stehen bleiben, irgendwas mit Titten. Ein Model. Ja, ein Model, mit dem der Heimwerker zusammen duschen muss! „Wir gehen nur in Medienstädte, Düsseldorf, Hamburg, München. Und zuerst nach Berlin“, schlägt ein Streber in der Brainstorming-Runde vor. Genau! Und die lokale Presse wird „zum OBI-Baumarkt ins Hengstzentrum in den Prenzlauer Berg“ geladen und vorab mit trendy Hintergrundinfos scharf gemacht: „Diversen Studien zufolge existiert vor allem ein starker Trend hin zur bequemen Duschreinigung. Eine Untersuchung in den USA etwa hat ergeben, dass der Markt für Badreiniger ... um 80 Prozent gestiegen ist.“
Dann muss aber auch noch ein professioneller Moderator her, so einer wie der Guido von Radio Energy Berlin! Der wird die schlechtlaunigen Einheimischen schon hindern, von der Tiefgarage zum Rigips- und Handtuchhakenkauf in den Markt zu verschwinden. Und das AjaxShowerPowerMobil mit ShowerPowerGirl drin zu übersehen, das ja vielleicht zusammen mit lauter Einkaufswagen abgeschieden auf dem Obi-Freiparkplatz landet. Da müsste der Guido dann etwas ins Funkmikro gurren. Zum Beispiel „Hal-lo liebe Besucher, hier läuft die große AjaxShowerPowerDuschaktion!“ Oder so. Irgendjemand würde wegen des Walkman schon stehenbleiben und sich achselzuckend Richtung Dusche und Model schieben lassen. Irgend so ein Papi, der sich mit „und hier ist der Enrico“ vorstellen läßt. Derweil würde das Graphikdesignstudentin-Model unspektakulär in die Dusche steigen. „Unsere Judith“, könnte der Moderator sagen. Und die Judith würde etwas blöde lächeln und Sonnenbankbräune im fahlen Novemberlicht zeigen. Da könnte dann auch dieser Enrico in einer roten Ajax-Badeshorts erscheinen.
Guido („Du hast Dich ja sauschnell ausgezogen“) müßte ihn ermahnen: „Enrico, du weißt, deine Frau und dein Sohn stehen jetzt da, also benimm dich.“ Aber Enrico wird bestimmt nichts anderes wollen, als einen Walkman für seine Blagen zu erduschen und sich dafür von der Judith aus züchtiger Entfernung mit Warmwasser abgebrausen lassen.
„Hey! Und jetzt die Produktinformation!“ kreischt in diesem Moment einer bei Avantgarde. Jetzt sollte der Guido Enricos Frau und dem anwesenden Rentnerpärchen den Dusch-Dings erklären: „Die Neuentwicklung! Immer nach dem Duschen überall aufsprühen und Sie müssen nie mehr putzen!“ Da kann die Judith dann dem Enrico das ShowerPower-Zeug reichen, das er bestimmt eilig und dankbar versprüht. Und der Guido könnte fragen: „Enrico, hast du Schimmel im Bad?“ Und wenn der Enrico nur „Jo...“ sagt, fragt Guido: „Warum?“ „Schlecht verfucht“ könnte der wackere Enrico antworten und sich, äh, samt Walkman, den Seinen und den anderen beiden Zuschauern davonmachen, während der Ajax-Werbespot vom Kleinscreen hohl hinter ihnen herschallt... Die Brainstorming-Runde verstummt.
Denn genau so war‘s dann auch.
Margret Steffen
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