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Sektenchef Paul Schäfer ist abgetaucht

Der Anwalt Hernán Fernández, 37, vertritt die Familien von zwölf chilenischen Kindern, die in der Colonia Dignidad von Paul Schäfer sexuell missbraucht wurden, genau wie der Deutsche Wolfgang Kneese, 54 – vor vier Jahrzehnten. Kneese war als Zwölfjähriger in das Kinderheim gebracht worden, das der Baptistenprediger Paul Schäfer im deutschen Siegburg leitete. Gleich in der ersten Nacht dort, so berichtet Kneese, hatte Schäfer ihn vergewaltigt. Als es in Deutschland zu einem Haftbefehl gegen Schäfer wegen Kindesmissbrauchs kam, floh der Sektenchef 1961 nach Chile, nahm die Kinder einfach mit und gründete bei Parral in Südchile die Colonia Dignidad, die „Kolonie der Würde“. Nach außen ein wohltätiges Werk mit Krankenhaus und deutscher Traditionspflege, das etliche Unternehmen kontrolliert und über beträchtlichen wirtschaftlichen Einfluss in der Region verfügt, ist die Colonia tatsächlich ein grausames System des Kindesmissbrauchs und der völligen Unterwerfung aller Sektenmitglieder unter den Willen des Anführers Schäfer.

1966 gelang Kneese eine abenteuerliche Flucht. Er sagte damals detailliert aus – seine Schilderungen gleichen aufs Wort denen jener Kinder und jungen Erwachsenen, die in den letzten fünf Jahren aus der Kolonie entkamen.

Nach dem Pinochet-Putsch 1973 diente die Colonia Dignidad als Folterzentrum des chilenischen Geheimdienstes. Gleichwohl erfuhr die Colonia aus Deutschland Unterstützung: Politiker von CDU und CSU wie der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß warben offen für die Colonia und statteten Schäfer bei Aufenthalten in Chile zahlreiche Besuche ab. Als 1996 erstmals bekannt wurde, dass auch chilenische Kinder von Schäfer missbraucht worden waren, kam es endlich auch in Chile zum Haftbefehl gegen Schäfer. Seither hält sich der Sektenführer versteckt. Der Sekte werden nach wie vor gute Kontakte zu Chiles Militär und Polizei nachgesagt. pkt

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