piwik no script img

Ärztliche Suizidwarnung irrelevant?

■ Ausländerbehörde will Kurden in Drittland zurückweisen

Das Bremer Ausländeramt will einen Kurden trotz Protesten von Menschenrechtsorganisationen und ärztlicher Warnung ausweisen. Dass ein Nervenarzt dem 29-jährigen Yavus B. Selbstmordgefahr und Reiseunfähigkeit wegen einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung bescheinigt, soll nicht zählen. „Nach Gesamtbetrachtung der Lage meinen wir, dass eine Zurückweisung in die Tschechei zumutbar ist“, sagt Uwe Papencord vom Ausländeramt. In dieses „sichere Drittland“ sei der Kurde schließlich nach eigenen Angaben zuerst eingereist. Dort müsse er sein Asylverfahren betreiben. Das Bundesinnenministerium habe einen Antrag des Anwalts des Kurden, der eine Ausnahme von der Drittstaatenregelung aus humanitären Gründen erreichen wollte, der Ausländerbehörde gegenüber telefonisch abgelehnt.

„Ob es ein ärztliches Gutachten gibt oder nicht – wir wissen in keinem Fall, ob sich jemand etwas antun wird oder nicht“, äußert sich der Amtssprecher zu möglichen Risiken einer solchen Ausweisung des Mannes, der während eines früheren Aufenthaltes in Bremen für ein erstes Asylverfahrens polizeilich aufgefallen sei. Das Ausländeramt sehe jetzt keine Notwendigkeit, den Mann einem Arzt vorzuführen. Jedoch habe man die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen, UNHCR, eingeschaltet, um sicher zu gehen, „dass der Mann sein Asylverfahren in der Tschechei betreiben kann.“ Dies war zeitweise fraglich gewesen, nachdem Yavus B. Tschechien Richtung Bremen verlassen hatte, wo seine Brüder leben.

Aus der Hansestadt war der 29-Jährige erst im Februar, nach einem negativen Asylbescheid, abgeschoben worden. „Er ist nicht politisch aktiv“, bestätigt eine Sprecherin der Flüchtlingsinitiative Friesenstraße. Dennoch sei der Kurde vier Monate nach seiner Abschiebung in der Türkei von einer Anti-Terror-Einheit festgenommen und gefoltert worden. „Natürlich hätte man von einem überlegten Standpunkt aus sagen können, er hätte für sein Asylverfahren in der Tschechei bleiben sollen“, fügt sie hinzu. „Aber genau dazu war er nicht in der Verfassung.“ Der Mann müsse Gelegenheit bekommen, einen Asylfolgeantrag in Bremen zu stellen, wo seine Familie ihn stütze. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl kritisiert die „zynische formalrechtliche Entscheidung des Bundesamtes“, für Yavus B. kein Folgeverfahren durchzuführen. „In Tschechien ist die notwendige therapeutische Betreuung kaum zu gewährleisten.“ ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen