: Appetit auf neue Straßenbahnen
■ Alles wird besser, plant die BSAG: Neue Linien, Haltestellen und Fahrgäste / Jetzt muss nur noch die Politik mitmachen
Nein – das Wasser läuft einem nicht gerade im Mund zusammen, wenn man an den Öffentlichen Nahverkehr denkt, sagt Georg Drechsler. Als Chef der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) will er das ändern und Appetit machen auf Straßenbahnen und Lust auf Busse. Auf Einladung der CDU Neustadt stellte er am Montag die Pläne der BSAG vor: Neue Linien in den Süden, Straßenbahnen auf DB-Gleisen, Schnellbahnen, mehr Fahrgäste bis 2010, schnelle Ampelschaltungen. Bleibt nur eins: die Politik muss mitmachen und finanzieren.
Drechslers Vorstellung von Bremens Straßenbahnen in zehn Jahren ist ein großes buntes Wollknäuel, seine langen losen Enden verlaufen in alle Richtungen. Fahrgäste gibt es dann nicht mehr, nur noch Kunden. Und um die geht es Drechsler, wenn demnächst EU-planmäßig der Wettbewerb kommt. Die „heile Welt“ auf den Schienen sei dann vorbei: Kosten in Griff kriegen, Verluste reduzieren und trotzdem attraktiv bleiben. Das wird schwer. „Wir müssen die Flucht nach vorn schaffen“, sagt Drechsler. Investition in neue Linien, das bringt Kunden. „Man ist doch bequem“, weiß er, „am besten holt man die Fahrgäste mit der Sänfte ab“. Schaufensterbummel von der Straßenbahn, Wohnzimmeratmosphäre, Kultourbahn, damit will Drechsler Fahrgäste ködern: „Straßenbahnfahren muss Spaß machen.“
Drechsler tourt gerne durch die Parteien und Fraktionen und wirbt für den ÖPNV. „Es gibt keine grünen oder roten oder schwarzen Straßenbahnen“, sagt er dann. „Es geht um Bremen.“
20 Jahre hat Drechsler den Nahverkehr in Karlsruhe organisiert. Seit drei Jahren ist er in Bremen – und hat viel vor: Die Linie 1 soll bis Mittelshuchting weitergeführt werden, eine Linie 8 soll auf alten Bahn-Terassen nach Alt-Stuhr führen. Die 5 soll bis nach Weyhe ausgebaut werden. Und Richtung Delmenhorst will er auch auf DB-Schienen fahren, um mit der Straßenbahn ab Bahnhof Neustadt den Schlenker zum Hauptbahnhof zu sparen. Ab ginge es dann direkt ab der Obernstraße. Das bringt mehr Haltestellen und spart durch schnelle Anfahrten trotzdem noch 13 Minuten.
Straßenbahnkunden kennen keine Ländergrenzen, meint der BSAG-Chef. Deshalb sollen vor allem im Süden Linien ausgebaut werden. 60.000 Einwohner vermutet er in Bremens Süden, die ÖPNV-Nutzung von derzeit zehn Prozent will er durch die neuen Anschlüsse auf 40 bis 50 Prozent steigern.
Im nächsten Jahr, wenn die Bauarbeiten an der Martini-Straße abgeschlossen sind, geht es an die Westerstraße. Dort sollen neue Schienen gelegt werden. Aber die Westerstraße soll mehr werden als nur Ersatz für die Ausweichstrecke Pappelstraße. Zwei BSAG-Linien sollen dann über die Westerstraße zum Brill führen, um nicht nur die Domsheide anzufahren.
Drechslers Pläne sind teuer. Huchting kostet 60 Millionen Mark, Alt-Stuhr wegen der Nutzung der DB-Trasse nur 19 Millionen, die Straßenbahn nach Delmenhorst 23 Millionen. Aber 20 Jahre wurden in Bremen keine neuen Linien gebaut. Dann kam die Linie 6 bis zur Uni. Statt 8.000 Kunden saßen dann 11.000 im ÖPNV Richtung Uni. Der Weiterbau Richtung Flughafen fand Anklang. Statt 2.000 saßen dann 3.000 Fahrgäste in der 6. „Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Drechsler. Aber nicht immer bringe das Geld. Zur Uni wird meist nur mit dem Semesterticket gefahren.
Das muss nicht immer so sein: Wenn Straßenbahnen mehrere Busse ersetzen, kann man sparen. Wird die Linie 4 bis Lilienthal ausgebaut, rechnet Drechsler mit 2,7 Millionen Mark weniger pro Jahr. Und weniger Busse bedeuten dann auch weniger Staus. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen