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Gipfeltreffen verabschiedet „Erklärung von Havanna“

■ Die Staatschefs produzieren ein Potpourri von Meinungen, das für jeden etwas bereithält

San Salvador – Man könnte fast meinen, beim 9. Iberoamerikanischen Gipfel der Staatschefs Lateinamerikas, Spaniens und Portugals zu Wochenbeginn in Havanna sei es in erster Linie um das Los von ein paar Dutzend kubanischen Dissidenten gegangen. Daneben vielleicht noch um Pinochet und seinen spanischen Jäger Baltasar Garzón und das US-Embargo gegen Kuba. Das eigentliche Thema waren die Gefahren ungezügelter Finanzmärkte im Zeitalter der Globalisierung.

Es hätte sich durchaus gelohnt, über dieses Thema ernsthaft zu diskutieren. Schließlich saßen der König und der Ministerpräsident des wichtigsten Globalisierers Lateinamerikas mit am Tisch. Spanien ist inzwischen zum größten Investor auf dem Halbkontinent aufgestiegen, noch vor den USA. Telefongesellschaften, Banken und private Rentenfonds werden gleich im Dutzend von spanischem Kapital übernommen. Wenn, wie kürzlich, in Spanien drei Banken fusionieren, hat das direkte Auswirkungen auf die Altersvorsorge von Millionen von Lateinamerikanern. Doch das eigentliche Thema des Gipfels wurde nur lau diskutiert. Kuba hatte als Gastgeber die Abschluss-Erklärung vorbereitet, deren Text aber schon im Vorfeld abgemildert worden war. Man einigte sich auf ein Frühwarnsystem zur Vermeidung künftiger Finanzkrisen und forderte einen „freien und ausgewogenen Handel“.

Bei früheren Gipfeln stand Fidel Castro stets im Mittelpunkt. Diesmal waren es die kubanischen Dissidenten. Spaniens Regierungschef José Maria Aznar traf sich mit fünf von ihnen. Die Regierungschefs von Portugal und Uruguay und ein paar Außenminister hatten ähnliche Treffs. Die Staatssicherheit nahm gut dreißig Regimekritiker vorübergehend in Haft. Gezielte, aber begrenzte Affronts von beiden Seiten. Die Dissidenten fühlen sich nun international aufgewertet, und die Journalisten hatten ihre Show. Die Staatschefs von Costa Rica, El Salvador und Nicaragua waren nicht gekommen, angeblich wegen „unüberbrückbarer ideologischer Differenzen“ mit Castro. Doch die salvadorianische Regierung hatte kurz vor dem Gipfel kleinlaut eingestanden, dass es Druck vom US-State Department gegeben habe. Chiles Präsident Eduardo Frei und Argentiniens Carlos Menem waren nicht da, weil der spanische Richter Garzón den Ex-Diktator Pinochet in London hatte verhaften lassen und 98 argentinischen Militärs Ähnliches droht.

In fieberhaften Nachtsitzungen konnte die spanische Delegation verhindern, dass das Land wegen Garzón ausdrücklich gerüffelt wird. Jetzt heißt es in der „Erklärung von Havanna“ ganz diplomatisch, dass man sich gegen den Versuch wehre, nationale Gesetze und Maßnahmen in Drittländern anzuwenden. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang die durch das Helms/Burton-Gesetz verschärfte US-Blockade gegen Kuba. Der Fall Pinochet schwingt nur noch untergründig mit. Der Ausgewogenheit halber wird gleichzeitig „politischer Pluralismus gefordert“.

Ähnlich diplomatisch wurde in der Abschlusserklärung eine „umfassende Demokratie und eine ausgeprägte Achtung der Menschenrechte“ gefordert. Das galt Castro, gesagt wurde es aber nicht. Ein konkretes Ergebnis hatte das Treffen auch. Die Staatschefs beschlossen, ein dauerhaftes Sekretariat in Madrid einzurichten, das alle folgenden Gipfel organisieren soll. The show must go on.

Toni Keppeler

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