: Wo sich Schweine sauwohl fühlen
■ Öko-Dorf will neue Wege gehen und wirbt mit fröhlich quiekenden Ferkeleien
Hannover. Krasser könnte der Gegensatz nicht sein: Dort die High-Tech-Bauten der Expo aus Edelstahl und Glas, hier die Idylle eines Öko-Bauernhofs mit fröhlich quiekenden Ferkeln. Der Musterbauernhof „Hermannsdorfer Landwerkstätten“ auf dem Kronsberg in Hannover lässt die Herzen von Öko-Fans höher schlagen. „Im Sommer, wenn es warm ist, bekommen die Schweine noch Wasser in ihre Suhle“, erklärt Pfleger Christoph Bauch. Das Expo-Projekt will nicht nur mit einer artgerechten Tierhaltung neue Wege in der Landwirtschaft gehen. Jetzt öffnete der Bauernhof seine Tore.
„Wir wollen das wieder zusammenbringen, was in der heutigen Landwirtschaft getrennt ist: Erzeugung, Verarbeitung und Verkauf landwirtschaftlicher Produkte in einem Dorf“, sagt Karl Schweisfurth, Sohn des Gründers der ersten „Herrmannsdorfer Landwerkstätten“ in Bayern. Auf dem hundert Hektar großen Musterbauernhof steht der achtsame Umgang mit Tieren, Pflanzen, Boden, Wasser und Luft im Vordergrund. Auf Düngemittel und Pestizide wird verzichtet, den Tieren soll statt Massenhaltung ein „würdiges“ Leben ermöglicht werden. Biogas-Anlage und Pflanzen-Kläranlage runden das Konzept ab. Die Lebensmittel aus Warmfleisch-Metzgerei, Vollkorn-Bäckerei, Rohmilch-Käserei und ökologischer Brauerei werden auf einem 500 Quadratmeter großen Hofmarkt zum Verkauf angeboten.
„Leben und Arbeiten auf einem Hof, das hat uns sofort überzeugt“, sagt Silvia Völkerl, Leiterin der Vollkornbäckerei. Direkt hinter der Verkaufstheke wird das Brot gebacken, das Getreide wächst demnächst auf den Feldern vor dem Hof. Auch John Huwatscheck, Leiter der Metzgerei, ist begeistert: „Wir schlachten die Tiere und verarbeiten sie gleich, wenn sie noch warm sind“, erklärt er die Tradition der uralten Warm-Schlachterei. „Da die Tiere keinem Transportstress ausgesetzt werden, schütten sie auch keine Angsthormone aus. Zusatzstoffe, die die konventionelle Metzgerei verwendet, brauchen wir nicht“, sagt der Metzger. Das merke man den Produkten auch an.
„Am Anfang haben mir die bayrischen Bauern noch einen Vogel gezeigt, mittlerweile haben sich bereits 40 Landwirte aus der Umgebung unserem Projekt angeschlossen“, sagt Gründer Karl Ludwig Schweisfurth. Vor 15 Jahren noch Europas größter Metzger, schlachtete er für eine Groß-Wurstfabrik massenhaft Tiere. „Meine Kinder nervten mich so lange mit Fragen, bis ich anfing umzudenken“, erklärt er seinen Wandel vom Wurstfabrikanten zum Muster-Ökobauern. Mittlerweile gibt es in München neun Geschäfte, die die Produkte verkaufen, weitere sind in Düsseldorf und Berlin geplant.“
Carola Große-Wilde, dpa
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