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Namibias Befreier zittern um ihre Allmacht

Bei den morgigen Wahlen drohen Namibias herrschender Ex-Befreiungsbewegung Swapo erstmals ernsthafte Probleme: Ein Swapo-Dissident wettert publikumswirksam gegen „Verfall und Korruption“  ■   Von Kordula Doerfler

Johannesburg (taz) – Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit finden in Namibia heute und morgen zum dritten Mal Wahlen statt. Zwar steht zu erwarten, dass der Chef der früheren Befreiungsbewegung Swapo (South West African People's Organization), Sam Nujoma, zum dritten Mal zum Präsidenten gewählt und seine Partei erneut eine satte Mehrheit erringen wird. Erstmals allerdings gibt es eine ernste Herausforderung, die der Swapo zumindest die Zweidrittelmehreit nehmen kann.

Der in diesem Jahr gegründete „Congress of Democrats“ (COD) unter dem einstigen prominenten Swapo-Mitglied Ben Ulenga sammelt die Unzufriedenen hinter sich – und davon gibt es immer mehr, vor allem unter jungen Namibiern, die den Befreiungskampf nur noch aus Erzählungen kennen. Der 46-jährige Ulenga ist ein politisches Schwergewicht: Er saß 15 Jahre lang mit Nelson Mandela auf Robben Island im Gefängnis, war später Mitglied des innersten Kerns der Swapo – und trat 1998 aus Protest gegen Namibias militärische Unterstützung für Kongos Laurent Kabila von seinem Posten als Botschafter in London zurück. Wenn Ulenga den ehemaligen Genossen heute Korruption, Machtgier und Vetternwirtschaft vorwirft, trifft er sie ins Mark. Das beweisen deren vollkommen überzogene Reaktionen.

In den Wahlzeitungen der Swapo wird der Abtrünnige als Verräter denunziert. Ihren Höhepunkt erreichte die Kampagne in der Ausgabe von letzter Woche: Darin wird ihm unter der Schlagzeile „Was Ulenga dem Feind erzählte“ vorgehalten, 1976 Geheimnisse an die Sicherheitspolizei der damaligen Besatzungsmacht Südafrika verraten zu haben. Diskret verschwiegen wird dabei die Tatsache, dass die Geständnisse aus Ulenga herausgefoltert und später von ihm zurückgenommen wurden.

„Unter dem Feigenblatt der Demokratie“, so heißt es weiter in einem Leitartikel, kämpften „neoliberale und Neo-Apartheid-Elemente“ heute mit denselben Tricks wie einstmals die neoimperialistischen Missionare, um den Afrikanern vorzuschreiben, was Demokratie ist. Auch auf Swapos Wahlveranstaltungen, die geradezu beklemmend denen vor zehn Jahren gleichen, wiederholen die alten Freiheitskämpfer gebetsmühlenhaft die immer gleichen Parolen davon, dass das Land „befreit“ und „die Apartheid bekämpft“ werden müsse.

Unter jungen Leuten, die damals allenfalls Kinder waren, ziehen die rituellen Beschwörungen des Befreiungskampfes allerdings nicht mehr unbedingt. Ulenga erhält stürmischen Beifall, wenn er auf seinen Veranstaltungen der Swapo leere Versprechungen vorhält. „Namibia liegt auf den Knien, weil in der Regierung Korruption und Vetternwirtschaft vorherrschen“, ruft er seinen Zuhörern entgegen. Und: „Lasst uns den Verfall aufhalten! Wir brauchen einen Neuanfang!“

Zwar bleibt Ulenga die Erklärung schuldig, wie der COD Armut und Arbeitslosigkeit wirksamer bekämpfen würde. Der Regierung jedoch öffentlich ihre Fehler vorzuhalten, ist in der kleinen namibischen Gesellschaft etwas Neues – und beweist zudem, dass gewisse demokratische Grundregeln noch in Kraft sind.

Die Hoffnungen vieler weißer und schwarzer Namibier jedoch sind zehn Jahre nach der Unabhängigkeit enttäuscht worden. Das Land, das bis 1915 deutsche Kolonie war, hat es nicht geschafft, die bittere Armut der Landbevölkerung wirksam zu verringern. Zwar lagen die Ausgaben für Bildung und Gesundheit in den vergangenen Jahren mit 40 Prozent des Haushalts weit über dem Durchschnitt anderer afrikanischer Länder, seit August 1998 allerdings übersteigen mit der Entsendung von 2.000 Soldaten in den Kongo erstmals die Rüstungsausgaben den Sozialetat.

Mit dem Einsatz im Kongo, von dem ähnlich wie in Simbabwe vor allem Generäle und Mitglieder der Regierungspartei profitieren, hat der 70-jährige Nujoma ebenso Sympathien verspielt wie mit der kürzlich verabschiedeten Verfassungsänderung für eine dritte Amtszeit. Auch das harte Vorgehen gegen eine Gruppe von Aufständischen im Caprivi-Streifen im vergangenen August hat dem Ansehen der Regierung geschadet.

Dass Staat und Partei aufs Engste miteinander verfilzt sind, bewiesen die Genossen noch einmal wenige Tage vor der Wahl. Auf offiziellem Briefpapier aus dem Büro des Premierministers, so hieß es in Zeitungsberichten, wurden Parteifunktionäre um eine Wahlkampfspende gebeten.

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