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Penner, Peitschen, Pistoleros

■ Der rauhe Alltag auf deutschen Straßen: Fünf Fälle aus Polizei- und Gerichtsakten

Tatort Hamburg-Hamm: Ein Autofahrer im Stellflächenstreß chauffiert genervt auf einen reservierten Parkplatz. Die Besitzerin stellt ihr eigenes Fahrzeug demonstrativ davor. Mit ohrenbetäubendem Dauerton will sich der fremde Platzbesetzer Minuten später die Weiterfahrt freihupen. Als ihn die Frau zurechtweist, kontert er derb: „Fahr die Karre weg, du alte Schlampe.“ Die Dame bockt. Und der Herr greift zum Wagenheber. Er schlägt das rechte Seitenfenster ein. Die Dame bleibt stur. Er schlägt das linke Seitenfenster ein. Die Dame bleibt stur. Er schlägt die dritte Scheibe ein. Vor Glasbruch Nummer vier nehmen alarmierte Ordnungshüter den Tobenden fest. Urteil: 90 Tagessätze, Entzug der Fahrerlaubnis.

Tatort Berlin-Moabit: Mercedes-Fahrer schneidet einen Radler beim Abbiegen. Der beschimpft den „Penner“. Der Autofahrer greift schnurstracks zur Hutablage und zieht eine Reitpeitsche hervor. Damit bewaffnet, springt der Herrenreiter aus dem Fahrzeug, schnappt sich den Pedalisten und verschafft sich Erleichterung. Er legt ihn übers Knie und gibt ihm per Gerten-Bastonade kräftig Saures. Urteil: 30 Tagessätze à 200 Mark, Entzug der Fahrerlaubnis.

Tatort A 8 München-Salzburg, Höhe Brunntal: Der 39jährige Fahrer eines Autotransporters fühlt sich beim CB-Funken von einem 26jährigen Kollegen im Langholzlaster gestört. Als der andere Brummi-Mann weiter querfunkt, setzt sich der CB-Funker mit seinem Truck neben ihn, kurbelt die Scheibe runter und fuchtelt bei Tempo 100 mit einem großkalibrigen Gasrevolver. Dann drückt er mehrfach ab. Unverletzt und unbeeindruckt von der Ballerei, versucht der Kontrahent den Asphalt- Cowboy abzudrängen. Die sausenden Laster berühren sich, die Seitenspiegel splittern. Es folgen Jagdszenen aus Oberbayern: Zusammen mit einem zweiten Holztransporter wird der Pistolero in die Zange genommen. Nach kilometerlanger Verfolgungsjagd bremsen sie den Autotransporter aus. Bevor sich die Trucker auf der Standspur die Köpfe einschlagen greift die Polizei zu: Die Handschellen klicken.

Tatort Fuldaer Dom: Ein 43jähriger Konstrukteur sprengt nachts um 2.05 Uhr mit seinem Mercedes die eiserne Absperrkette und das Eingangsportal zum Fuldaer Dom. Im Inneren des Gotteshauses fährt er bis zum Altar vor, kollidiert mit der Kommunionbank, wendet vor den Sitzreihen und chauffiert wieder zum Kirchentor hinaus. Glassplitter, Rückspiegel, Blinkleuchte, ein Zehnmarkschein für den Klingelbeutel und deutliche Reifenspuren läßt der Amokfahrer zurück. Fuldaer Zeitung: „Der Täter hatte den Drang zu beten.“

Tatort Berlin-Marzahn: Ein Trabilenker fühlt sich von einem Umschüler gereizt, der „provozierend langsam“ über die Straße geht. Der Autofahrer hält, stellt den Trödler zur Rede: „Ich trete dir in die Eier, du Arschloch!“. Als der Fußgänger mit Anzeige droht, brennen die letzten Sicherungen durch. Der Automobilist führt eine rechte Gerade, verschwindet Richtung Fahrzeug, kehrt nach wenigen Metern um und schlägt erneut rabiat zu. Als das Opfer die Brille verliert, tritt er sie wie einen Zigarettenstummel in den Asphalt. Rechtfertigung des Schlägers laut Gerichtsprotokoll: „Eigentlich müßten leichtsinnige Fußgänger den Autofahrern dankbar sein, die aus hohem Verantwortungsgefühl sich die Mühe machen, den Fußgänger – und sei es in energischer Art und Weise – zu belehren.“ Manfred Kriener/Walter Saller

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