: Afrikas Goldgruben im Ausverkauf
Südafrikanische Bergbaumultis strecken die Hand aus nach den reichen Rohstoffvorkommen Zaires ■ Von François Misser
Brüssel (taz) – Zaire ist eines der mineralienreichsten Länder der Welt, mithin ein potentiell reiches Land. Bald gerät die zairische Bergbauindustrie womöglich unter die Kontrolle Südafrikas. Wie kürzlich bekannt wurde, hat Zaires Regierung mit einer Schweizer Briefkastenfirma einen Geheimvertrag geschlossen, der dem südafrikanischen Bergbaugiganten Anglo-American und vielleicht auch dem Diamantenkonzern De Beers ein Vorkaufsrecht für den Fall einer Privatisierung der Kupfer-, Gold- und Diamantenminen Zaires gewährt.
Die Minen von Zaire, konzentriert in der Südprovinz Katanga, sind theoretisch zwar von fantastischem Reichtum, in der Praxis aber völlig heruntergewirtschaftet. Die Weltbank fordert seit über einem Jahr eine Privatisierung, um ausländischen Investoren den Einstieg zu ermöglichen. Beispielsweise produzierte der staatliche Minenkonzern Gécamines 1994 nur noch 35.000 Tonnen Kupfer – in den 80er Jahren waren es noch jährlich 500.000. Die Gründe sind bekannt: Der Staat hat die Finanzreserven des Konzerns geplündert, um etwa die Gehälter der Präsidialgarde zu bezahlen. Zulieferer haben überhöhte Rechnungen ausgestellt und damit einen Reibach gemacht. Und der Konzern selbst hat aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Strukturen firmenfremde Aktivitäten übernehmen müssen – Straßenbau und -wartung, Betrieb von Kliniken und Agrarprojekte. Wie Konzernmitarbeiter gegenüber der taz angaben, leidet die Produktion zudem vor allem unter der „ethnischen Säuberung“, die Katangas Provinzgouverneur Kyungu wa Kumwanza seit 1991 betreibt: Hunderttausende von Menschen, die aus der weiter nördlich liegenden Provinz Kasai stammen und den Hauptteil der Ingenieure und Bergarbeiter in Katanga stellen, sind vertrieben worden.
Die Lage der Bakwanga-Minengesellschaft (MIBA), zu 80 Prozent in Staatsbesitz und zu 20 Prozent in Besitz der belgischen Firma Sibeka, ist nicht besser: Ihre Diamantenförderung um Mbuji- Mayi in Zentralzaire ist von über zehn Millionen Karat im Jahr in den 80ern auf unter fünf Millionen gesunken.
Inzwischen fördern „wilde“ Diamantenschürfer mehr als das Doppelte. Das Fördergebiet erlebt zur Zeit wegen der hohen Arbeitslosigkeit in Zaire eine regelrechte Invasion von Diamantensuchern. Sie konzentrieren sich auf die Durchwühlung der am leichtesten zu erreichenden Vorkommen an den Flußufern. Unter normalen Bedingungen sollte deren Ausbeutung eigentlich die Investitionen zur Prospektion in tieferen Erdregionen finanzieren. Die MIBA versucht seit langem, die illegalen Schürfer abzudrängen. Schon 1979 töteten Soldaten zusammen mit der Privatmiliz des Konzerns 300 von ihnen. Tausende werden jedes Jahr verhaftet – und sogleich wieder freigelassen: Die chronisch unterbezahlten Soldaten nehmen ihnen ihre Edelsteine ab und schicken sie wieder los.
Anfang Mai 1995 entschloß sich Zaires Regierung, den Forderungen der Weltbank Folge zu leisten und zunächst einmal die drei Geschäftszweige der Gécamines – Ausbeutung, Vermarktung, Entwicklung – zu fusionieren und damit die Kosten zu reduzieren. Damit einhergehend wird die Gesamtbelegschaft von 30.000 Angestellten verringert.
Dann platzte die Bombe. Der Afrika-Nachrichtendienst Lettre du Continent meldete am 18. Mai, es sei bereits ein Vertrag über die Zukunft von Gécamines im schweizerischen Lausanne geschlossen worden, und zwar mit einer bisher unbekannten Schweizer Firma namens „Swiss Procurement Company“ (Swipco). Diese soll einen Kredit von 500 Millionen Dollar für Zaires Regierung beschaffen, der gleich wieder für die Rückzahlung von 475 Millionen Dollar zairischer Schulden an die Afrikanische Entwicklungsbank recycelt werden soll.
Dafür würde Swipco das Management der Gécamines, der MIBA, des Goldminenamtes von Kilo-Moto und gleich auch der zairischen Post übernehmen. Die Schweizer Firma würde Alleineinkäuferin der benötigten Investitionsgüter.
Swipco aber ist eine Tochtergesellschaft zweier Multis: der südafrikanischen Anglo-American, größter Goldproduzent der Welt, und der französischen Filamac. Der Vertrag, heißt es, gewährt Anglo-American ein Vorkaufsrecht für alle genannten zairischen Konzerne. Da der dann vermutlich zuständige Chefeinkäufer von Anglo-American, Nicky Oppenheimer, zufällig auch der Chefeinkäufer des südafrikanischen Diamantengiganten De Beers ist, kann mit einer Beteiligung auch dieses Konzerns gerechnet werden.
So würde der gesamte Bergbau von Zaire unter die Fuchtel südafrikanischer Multis geraten – eine beispiellose Firmenkonzentration in der Bergbaugeschichte. Keine der lokalen Insitutionen ist konsultiert worden. „Die Katanger sind nicht gegen eine Privatisierung als solche“, meint Joseph Tshombe, Chefredakteur der Monatszeitschrift Afriqu'Event. „Aber sie wollen den Prozeß bestimmen.“
Die Kontroverse kommt zu einer Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen den Provinzbehörden von Katanga und der Zentralregierung ohnehin verschlechtert. Zaires Premierminister Kengo wa Dondo hat die Regierung von Katanga formal abgesetzt, was diese aber wenig schert.
Zum Eklat kam es, als Soldaten aus der Hauptstadt Kinshasa die Vorsitzende der Katanga-Partei UFERI, Thérèse Tshikung, vor ihren Anhängern zusammenschlug und entkleidete.
„Wenn dieser Vertrag bestätigt wird, gibt es in Katanga eine sehr heftige Reaktion“, prognostiziert Chefredakteur Tshombe. Er sollte es wissen: Er ist Sohn von Mwant Yav, König des einst mächtigen Lunda-Volkes, der sich als Eigentümer des Bodens und der Bodenschätze von Süd-Katanga ansieht.
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