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Die kleinen Gernegroß – nein danke!

■ betr.: Berichterstattung zur top'95, taz vom 8./9. 7. 95

Durch zahlreiche Ankündigungen vor der top '95 habe ich mich dazu hinreißen lassen, nach Düsseldorf zu fahren, in der Hoffnung, als frischgebackene M.A. der Geisteswissenschaften sinnvolle Anregungen und Perspektiven für meine berufliche Zukunft zu gewinnen. Doch weit gefehlt! Statt sinnvoller Information gab es reichlich Kunst, Klamotten und Kosmetik. Ganz wie wir Frauen das lieben, oder? Die meisten waren jedenfalls mit einer knallroten Freundin-Tüte bewaffnet und drängelten sich um die kostenlose „Typ-Beratung“.

Unternehmen wie Phillips und die Deutsche Bahn plakatierten ihre Frauenfreundlichkeit im großen Stil, aber wenn frau sich mit konkreten Fragen über Arbeitsmöglichkeiten an das Standpersonal wandte, fand sich niemand, der/ die sich auskannte, und frau könne sich ja mal „blind bewerben“.

So meine Erfahrungen, und was lese ich bei Euch? Statt einer bissigen Berichterstattung finde ich eine unkommentierte Passage über ein Sekretärinnenseminar. (Sollte wohl ne Realsatire sein?) „Wir Frauen“ bleiben also doch die Handlangerinnen. Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, die frau hat, sich im hauswirtschaftlichen Bereich selbständig zu machen. Und dann lese ich noch die Bemerkung, daß das Herzstück der Messe die Kunstausstellung ist. So sieht also die top-Zukunft für Frauen aus.

Für die nächste Gelegenheit würde ich mir ein bißchen mehr deutliche Kritik wünschen, sonst muß ich annehmen, daß auch die taz-Frauen sich mehr für weibliche Klischees als für weibliche Karriere interessieren. Andrea Lehr, Frankfurt/Main

Frauen brauchen sich nicht zu verstecken! So meine Meinung, und doch tun sie es immer wieder unter gerade atemberaubenden Vorwänden. Der Atem stockt, wenn frau die Umfrage unter Messeteilnehmerinnen hört.

Elke Eckert tat sich um und brachte ganz alte Rollenverständnisse ans Tageslicht. Das erste alte Vorurteil, das wir erfahren, lautet: Frauen und Kommerz – ein glatter Widerspruch in sich selbst. Das zweite: Frauen und Fraueninitiativen sind die Kleinen neben den Großunternehmen. Und sie sind arm.

Die alte Leier, frau kann sie nicht mehr hören. Eine Froschperspektive? Ich meine, ja. Solange Frauen sich neben und nicht in Großunternehmen plazieren, werden sie die Kleinen bleiben, macht- und finanzlos. Wichtig ist es, daß Frauen die Stände der von überwiegend Männern geführten Großunternehmen belagern und Förderungsprogramme für Frauen einklagen. Förderungsprogramme existieren doch noch kaum, so mein Resümee nach dem Besuchstag der Messe.

Es reicht nicht aus, daß Frauen durch Fraueninitiativen Frauensubkultur etablieren und sich damit zufriedengeben. Findet da auf Dauer nicht eine Ghettoisierung von Frauenpower statt? Das scheint mir schon Realität zu sein, wenn Frauen Berührungsängste mit Großunternehmen und Kommerz haben, lieber unter sich oder unter rein sozialen Initiativen wären. Ausgenommen Künstlerinnen. Sie werden akzeptiert. Als ob Kunst nichts mit Kommerz zu tun hätte. Aber haben die Frauen der Umfrage mit ihren Äußerungen nicht den Nagel auf den Kopf getroffen? Und ihnen gibt der Markt recht: Kunst von Frauen läßt sich nicht leicht vermarkten. Das konnte frau im Redaktionsgespräch der Zeitschrift Künstlerinnen, Herausgeberin Brigitte Mauch, erfahren. Für Künstlerinnen und für mich hat Kunst von Frauen viel mit Kommerz zu tun. Leider teilen einige männliche Zeitgenossen, die den Markt lenken, diese Ansicht noch nicht. Umdenken und Lernschritte sind erforderlich. Leider können sie es auch nicht von den befragten Frauen von Elke Eckert lernen! Vom wem sollen sie es eigentlich lernen, wenn nicht von uns Frauen? Barbara Hensler-Kassing, Bonn

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