Bremen: Bürgernah ist blablabla

■ Um das Modell-Projekt der „Bürgerämter“ weiterzuführen, will der Innensenator Geld für Ortsämter streichen / Im gleichen Atemzug: Keine weiteren Investitionen für Bürgerämter

Innensenator Bernt Schulte (CDU) will neue Ordnung in die Stadtteile einziehen lassen. Und das heißt in Bremen erstmal: Maschinen stopp! Nachdem vor kurzem beschlossen wurde, zwei Ortsamtsleiter-Stellen nicht wieder zu besetzen, kam nun die zweite Hiobsbotschaft. Mehr als die drei bestehenden Modell-Bürgerämter wird es in Bremen erst einmal nicht geben. Ersatzlos gestrichen wurden für die nächsten zwei Jahre 1,5 Millionen Mark Investitionsgelder für die Weiterentwicklung der Bürgerämter. Das wurde auf der letzten nichtöffentlichen Sitzung der Innendeputation vom Senator mitgeteilt. Gleichzeitig argumentierte der Senator: Um die Bürgerämter weiter auszubauen und dafür Geld zu sparen, würden die frei werdenden Stellen der Ortsamtsleiter nicht wieder besetzt. Politik paradox.

„Der Senat hat ein jahrelang geplantes Projekt, mit dem sich Bremen gerne öffentlich brüstet, in den Sand gesetzt“, beurteilte gestern der Grünen-Fraktionssprecher in der Bürgerschaft, Helmut Zachau, den Investitionsstopp für neue Bürgerämter. „Mehr Bürgerorientierung ist das zentrale Anliegen der oft angekündigten Verwaltungsreform. Aber jetzt erleben wir eine Abkehr von der angeblichen Kundenorientierung der Verwaltung“, sagt Zachau.

Derzeit gibt es drei Modell-Bürgerämter in Horn-Lehe, Blumen-thal und Vegesack. Anders als in den Meldestellen können hier mehrere Behördengänge der Bürger an einem Ort abgewickelt werden, lange Wege entfallen. Hier können Pässe ebenso beantragt werden wie Lohnsteuerkarten, Meldebescheinigungen oder Sperrmüllkarten. Die Worte „Wir sind dafür nicht zuständig“ sind an diesen drei Orten schon deutlich seltener geworden. Das Modellprojekt läuft inzwischen seit zwei Jahren. Viele Städte sind dem Beispiel von Heidelberg und Osna-brück gefolgt und haben inzwischen die Idee des verstärkten Bürgerservices aufgegriffen. Umfragen haben bestätigt, dass die Bürger das Angebot im Ortsteil gebündelter Verwaltungs-Dienstleistungen durchweg als positiv bewerten – auch wenn Bremen längst nicht so viele Dienstleistungen anbietet, wie Bürgerämter in anderen Städten.

Der Innensenator wehrte sich gestern gegen den Vorwurf, den Bürgerämtern den Garaus zu machen. „Die Weiterentwicklung wird fortgesetzt werden. Ich halte mich an diesen Koalitionsauftrag und werde auch die Beiräte stärken“ versprach Schulte gestern. Die Grünen hätten noch nicht verstanden, worum es gehe: Ein „qualifiziertes dezentrales Serviceangebot“ soll für die Bremer vorgehalten werden. Wie dies umgesetzt werde, wird nun in einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet. Wann Ergebnisse vorliegen sollen, liegt allerdings tief im Dunklen. Klar ist, dass die Gruppe sowohl die Bürgerämter als auch die Ortsamts-Struktur überprüfen will.

Nach Vorstellung der Grünen könnte man bis zum Jahr 2002 insgesamt 24 Bürgerämter neu einrichten. Zachau geht davon aus, dass Bürgerämter langfristig sogar billiger sind als das jetzige System der vielen Orte – wenn Zuständigkeiten gebündelt werden, fallen schliesslich auch weniger Kosten an. Gleichzeitig steige die Motivation der Sachbearbeiter, die so die Chance bekommen, ihren „Tunnel-Blick“ abzustreifen. Die Anschubfinanzierung der 24 neuen Ämter schätzt Zachau grob auf 15 bis 20 Millionen Mark. Das Geld, so argumentiert er, könne durch den Verkauf des Siemens-Hochhauses eingespielt werden.

Von aussen mag Bremen tatsächlich wie eine bürgernahe Stadt wirken. Gerade erst wurde der zweite Preis im Bertelsmann-Wettbewerb „Bürgerorientierte Kommune“ eingefahren. „Auf der virtuellen Ebene ist alles in Ordnung“ sagt auch Zachau. Nur die Realität, ja die Realität: Eins von neun Bremer Expo-Projekten heißt „Zeiten der Stadt“. Es besteht aus vier Unterprojekten. Eines davon: Die Bürgerämter. Damit hat sich ein weiteres Bremer Expo-Projekt als Luftschloss geoutet. cd