: Bonner Arbeitsamt macht Außenpolitik
■ Kurdischem Informationszentrum Navend wurden ABM-Kräfte verweigert, weil deren Arbeit „Auswirkungen auf das deutsch-türkische Verhältnis“ haben könnte
Bonn (taz) – Die Interessen der Türkei entscheiden im Bonner Arbeitsamt über ABM-Anträge. Diese Erfahrung machte das „Kurdische Informations- und Dokumentationszentrum Navend“.
Vor einem Jahr hatte der gemeinnützige Verein zwei ABM- Kräfte beantragt. Ende Mai endlich antwortete das Arbeitsamt. Wenige Wochen zuvor hatte Navend Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Direktor des Bonner Arbeitsamtes eingereicht, das Zentrum hatte den Eindruck, „als gebe man sich keine ernsthafte Mühe, den Antrag zu behandeln“. Es folgte dann ein bizarrer Bescheid: „Durch eine Förderung werden außenpolitische Belange berührt, da der von Ihnen geplante Aufbau eines adressenorientierten (es müßte aber „adressatenorientierten“ heißen, d. Red.) Integrationskonzeptes mit Schwerpunkt auf Jugendarbeit Auswirkungen auf das deutsch-türkische Verhältnis hätte, da die türkische Regierung eine Förderung als Versuch der Einmischung in innertürkische Angelegenheiten und als Förderung separatistischer Tendenzen betrachten würde.“
Tatsächlich sollten sich die beantragten ABM-Kräfte um die Integration der KurdInnen in Bonn kümmern, durch „kontinuierliche Treffen von Jugendlichen unterschiedlicher Nationalitäten“, sie sollten erstmals die Struktur der kurdischen Bevölkerungsgruppe erfassen. Deren Angehörige nämlich tauchen auch in Bonner Statistiken ausschließlich als Staatsangehörige ihre Herkunftsländer auf. „Wer“, fragen die Antragsteller, „mischt sich da eigentlich in wessen innere Angelegenheiten ein?“
Der Verein hat Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Er will notfalls vor das Verwaltungsgericht ziehen. Die Chancen dort stünden nicht schlecht. Denn nach der „ABM-Anordnung“ fördert die Bundesanstalt für Arbeit Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung „im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung“. Von Außenwirtschaft ist nicht darin die Rede.
Der Antrag wurde als Chefsache im Bonner Arbeitsamt bearbeitet. Das amtliche Nein mit dem Verweis auf die politische Großwetterlage unterschrieb Direktor Werner Martin persönlich. Die bündnisgrüne Außenpolitikerin Angelika Beer, deren Partei das kurdische Zentrum finanziell unterstützt, spricht von „klarer türkischer Propaganda, die da in deutsche Federn geflossen ist. Solche Direktiven erfolgen in der Regel von oben nach unten und nicht umgekehrt“.
In der Tat traf die Behörde in Bonn-Duisdorf ihre Entscheidung, so ein Sprecher zur taz, „indem wir uns mit dem Landesarbeitsamt und dem Bundesarbeitsministerium kurzgeschlossen haben. Von denen wird Wirtschaftspolitik halt auch mit der Wirkung nach außen interpretiert.“ Die übergeordneten Stellen hingegen vermeiden Aussagen zum Bescheid. Das Düsseldorfer Landesarbeitsamt versteckt sich hinter dem allgemeinen Hinweis, Maßnahmen zur Integration von Kurden seien grundsätzlich förderungswürdig. Das Bundesarbeitsamt verweist an die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Und die erkennt nach Angaben eines Sprechers im geplanten Pilotprojekt ohnehin weder das „öffentliche Interesse“ noch eine „arbeitsmarktmäßige Zweckmäßigkeit“. Wegen des „schwebenden Verfahrens“ enthält sich auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, eines Kommentars.
Mit einer Anfrage an die Bundesregierung will Beer nun klären, ob neuerdings auch Arbeitsämter Außenpolitik betreiben dürfen. Insider wollen das nicht ausschließen.
So verteilt das Düsseldorfer Landesarbeitsamt an seine Dienststellen vor Ort eine Bundesdrucksache, die im Ermessensfall die Entscheidung über ABM-Anträge erleichtern soll. Danach zieht die Unterstützung von Kurden zumindest innenpolitisch nur Ärger nach sich: „Viele Organisationen verstehen sich jedoch als politische Kampfverbände ... Jede Förderung, auch angeblich rein kultureller Aktivitäten, durch die Bundesregierung von Ausländergruppen, würde schwierige Fragen der Beurteilung und der Auswahl aufwerfen“. Weiter: „Dadurch können der soziale Friede zwischen bei uns lebenden Ausländern beeinträchtigt und zwischen einzelnen Gruppierungen bestehende Spannungen verstärkt werden.“ Bernd Neubacher
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