piwik no script img

Unterm Strich

Von Coup zu Coup wird es interessanter, das Theater, und von heftigerem und öffentlicherem Interesse, je toller sich das Personenkarussell dreht: Jetzt macht auch Hans Magnus Enzensberger mit, der am Berliner Renaissance-Theater die Position eines Bühnenberaters einnehmen wird. „Ich lebe nicht vollständig im Theater, aber es ist ein wunderbarer Spielplatz, und die neue Aufgabe hat mich schon ein bißchen gereizt“, sagte er, im Wortlaut etwas unengagiert, am Mittwoch bei der Vorstellung des ersten Spielplans unter der Leitung des neuen Intendanten Horst-H. Filohn. Bei der weiteren inhaltlichen Bestimmung seiner Theaterziele ging Enzensberger negativ dialektisch vor: Auf keinen Fall will er natürlich Opas Theater: „Man kann Tschechow anbieten, die 39. Inszenierung von ,Onkel Wanja‘. Irgendwann hat man das aber satt.“ (Wie wahr!) Aber auch „das Brüll- und Trampeltheater habe ich hinter mir“. Kein Weg führe schließlich auch zurück zu einem Theater, „das mir er-

klärt, daß der Kapitalismus schlecht ist. Das wissen wir schon“. Okay okay, aber jetzt mal endlich der qualitative Sprung und dialektische Umschlag hinein in die Position! Die „Tragikomödie“ soll's richten, meint Enzensberger. Man brauche nur die Tagesschau zu sehen, „um die merkwürdige Lage zwischen Schrecken und Lächerlichkeit zu erkennen, in der wir leben.“ Aber wußten wir das nicht auch schon?

Zum Thema Christo und dem allgemeinen „Verpackungsfieber“ (10.000 Ticker zu diesem Stichwort), das Berlin ergriffen haben soll, nur noch soviel: Der Mann persönlich, der ja auch seit Mittwoch hier ist, hat 300 der rund 1.200 studentischen Helfer eingewiesen, die direkt auf dem Gelände den Besuchern Sinn und Zweck des verpackten Reichstags erklären sollen. Na, was das wieder gibt ...

Wo wir aber schon beim Historischen sind und beim Sinn ... Heute, möglicherweise just in dieser Stunde, am Ende gar in dieser Sekunde wird das neue Album von Michael Jackson von geheimen, teenagereinbruchssicheren Zwischenlagerstätten am Rande der Städte und stadtähnlichen Ballungszentren von speziell geschultem Personal in gepanzerten Gefährten nach einem geheimen Streckenplan, den mit speziellen Bodyguards und dunklen Sonnenbrillen der Marke „Ray Ban“ hochgerüstete Sony-Manager in mit Kombinationsschlössern versehenen Aktenkoffern ausgeklügelt anarchisch durch die Innenstädte tragen, in die Endverkaufsstätten gekarrt werden. „HIStory, Past, Present & Future, Book I“ heißt es allen Ernstes, ein Mammut-Doppel-CD-digitally-remastered-Dingens, das als großangelegte Gegenmaßnahme zu den Vorwürfen des Kindesmißbrauchs und den dadurch bewirkten Karriereknick gedacht ist. Mehr in Kürze.

Bei Wim Wenders hat man's schon immer geahnt, aber bei Hark Bohm? Jedenfalls werden die beiden Stargäste beim Hamburger Kirchentag sein. Heute, möglicherweise just zu dieser Stunde, wird Wenders in der St.-Johanniskirche sein 93er Werk „In weiter Ferne, so nah!“ vorstellen, wie die Organisatoren (leider ohne genaue Zeitangabe) am Mittwoch dpa mitteilten. Zu einem späteren Zeitpunkt gibt's dann Filmzeigen mit Hark Bohm, auch Monika Treut wird sich der Diskussion mit dem Publikum stellen.

Good, bad or ugly? Ein von Stockholm aus agierendes Projekt namens „Zwei Männer und ein Schaf“, das sich, „unter anderem“, wie es heißt, mit dem Thema „Männer und Zärtlichkeit“ befaßt, wirbt um Unterstützung. Die „Unterstützung“ besteht darin, daß man einen nicht näher fixierten Betrag auf das Konto 0809642123 bei der Citibank (BLZ 30020900, Kennwort „Annika Eriksson“) überweist und dann an einer nicht näher fixierten Aktion teilnehmen darf. Als „Dankeschön“ gibt es ein numeriertes und signiertes Foto im 10x15-Format.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen