: Bizarres Dilemma Stichtag
■ Hinter „Altfall“ verbergen sich Lebensgeschichten von Eltern wie den Özbeks, die für ihre Kinder um eine neue Heimat kämpfen
Die Familie Özbek – Mutter Fatma, Vater Celal und ihre drei Kinder – ringen darum, als „Altfall“ anerkannt zu werden. Fast elf Jahre leben sie in Deutschland, der jüngste Sohn Murat ist hier geboren. Hier wollen sie bleiben. Aber ihre Hoffnung auf ein Bleiberecht könnte enttäuscht werden: Am entscheidenden Stichtag, dem 19. November 1999, hatte das Ehepaar keine Arbeit und konnte deshalb den Lebensunterhalt nicht eigenständig bestreiten. Das aber ist die Hürde, die die Familie hätte überspringen müssen, um nach Maßgabe der Innenminister hier bleiben zu dürfen – obwohl die Arbeitslosigkeit der Familie durch die Behörden selbst verursacht war. Denn der Antrag von Fatma Özbek, die Arbeitserlaubnis für ihre Putzstelle verlängert zu bekommen, lag am Stichtag beim Arbeitsamt und schmorte. Der Grund: Die Arbeitserlaubnis war an die befristete Aufenthaltsgestattung geknüpft – und muss deshalb regelmäßig neu beantragt werden. Und das dauert. „Im Regelfall sechs Wochen“, bestätigt das Arbeitsamt. Grund für die Özbeks, jetzt zu zittern. Denn Celal verdient allein nicht genug.
Die Erwerbsbiografie der Eheleute Özbek zeigt, wie sehr die „Altfallregelung“ der deutschen Länderminister an der Lebenswirklichkeit von Flüchtlingen vorbeigeht. Zwar hatte Fatma Özbek im Oktober immerhin eine Putzstelle angetreten. Ihre erste. „Vorher hat sie ja keine Arbeitserlaubnis bekommen“, sagt ihr Mann. Doch dann kam das Malheur mit der Warterei auf die Arbeitsamtsmühlen. Bis heute schmort die besagte Verlängerung in den Amtsstuben.
Der gelernte Koch Celal Özbek hatte unterdessen auch ein bisschen Glück. Ein Jahr lang arbeitete er 1996 für die Werkstatt Bremen. „Aber dann war Schluss. Es hieß, sie sind doch Asylbewerber.“ Sein Anwalt konnte damals nicht erreichen, dass die Özbeks unter eine just beschlossene „Altfallregelung“ fielen. „Man argumentierte, dass eine befristete Arbeit bei der Werkstatt Bremen nicht dauerhaft den Unterhalt garantieren könne“, so Albert Timmer. Fünfmal hat Celal Özbek seither eine Stelle gefunden – für die ihm jedes Mal die Arbeitserlaubnis verweigert wurde. Erst im Oktober hat es jetzt erstmals wirklich geklappt. Bis Mai darf er in einem Imbiss arbeiten. Allerdings nur für 20 Wochenstunden. Das Einkommen reicht also nie, um die Özbeks ohne Zuschuss vom Sozialamt durchzubringen. Deshalb muss die kurdische Familie jetzt bangen. Ihr Widerspruch gegen eine Asylablehnung wird übrigens demnächst vor dem Verwaltungsgericht behandelt – nach elf Jahren Warten und ohne ihr besonderes Zutun. ede
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