piwik no script img

Rettungswagen finanzieren Disco und Eiscafé

■ Das Rote Kreuz soll Millionen in kommerzielle Dienstleistungen gesteckt haben

Berlin (taz) – Dubioses Finanzgebaren wird derzeit nicht nur in der Politik enttarnt. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) soll Überschüsse in Millionenhöhe zweckentfremdet haben.

Zur Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den DRK-Kreisverband Bernau in Brandenburg: Er soll mit aus Rettungseinsätzen erwirtschafteten Mitteln ein kommerzielles Eiscafé und eine Disco betreiben sowie für Urlaubsbräune auf drei Sonnenbänken kassieren.

In Nordrhein-Westfalen steht eine Schreibraft des DRK Bochum vor Gericht. Sie soll bei dem Bau ihrer Privatvilla auf einem DRK-Grundstück begünstigt worden sein. In Bayern wurde gegen zwei DRK-Geschäftsführer Anklage erhoben, die Bestechungsgelder von einer Blutspendenfirma angenommen haben.

Vorgestern berichtete das ARD-Fernsehmagazin „Kontraste“ über die zweckentfremdete Gelderverwendung beim DRK. In dem Beitrag wurde DRK-Präsident Knut Ibsen eingeblendet: „Von den 534 Kreisverbänden gibt es mindestens eine Hand voll, die uns beschäftigt.“ Dieser O-Ton sei aus dem Kontext genommen, erklärt Susanne Anger, Pressesprecherin des DRK, gegenüber der taz. Die Aufnahme stamme aus einem Hintergrundgespräch über Verbände in „wirtschaftlicher Not“. Die aber seien nicht identisch mit „kriminellen“.

Es gäbe nur die drei Verfahren in Bernau, Bochum und Bayern. Auch ginge es dabei nicht um Spendengelder, wie dpa gestern meldete, sondern um DRK-Erlöse. „Das hat nichts mit den Kosovo-Spenden oder anderen Spenden für Krisengebiete zu tun“, erläuterte Anger. Die Spenden für Menschen in Not gingen immer direkt an den Bundesverband.

Doch wo kam das Geld im Fall Bernau her? Schließlich musste das Eiscafe für 100.000 Mark eingrichtet werden, die Sonnenbänke gekauft und die Disco für einige hunderttausend Mark umgebaut werden. „Geprellt“ wurden im Fall Bernau nicht die Spender, sondern die Krankenkassen, erläuterte Anger. Für die Rettungseinsätze hätten die Kassen eine überhöhte Pauschale gezahlt. Das sei möglich gewesen, da in Bernau der DRK-Kreisverband direkt mit der Kommune verhandele.

Diese Praxis will der DRK abschaffen. Die Pauschalen sollen künftig auf Landesebene ausgehandelt werden. „Dann sind mehrere Menschen beteiligt, und es gibt keine Möglichkeiten mehr zu Verschleierung“, betonte Anger.

Isabelle Siemes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen